Der Mythos ist die Message

„Der Ruf des Adlers“, Western-Wiedergeburt in vier Teilen, Start um 21.03 Uhr, ARD  ■ Von Manfred Riepe

Als die Bilder laufen lernten, drehte sich auch die Trommel im Revolver. Der Western, eines der ältesten Genres der Filmgeschichte, kreist um die Nacherfindung der Besiedlungsgeschichte des Einwandererlandes Amerika. Der Vormarsch der Zivilisation (Postkutsche, Eisenbahn und Völkermord an Indianern) wird durch die Verbürgerlichung des Revolverhelden zum Vertreter von Law und Order bewerkstelligt.

Erst im Spätwestern der 60er Jahre wird die affirmative Haltung des Genres zu seinem Hintergrund in Frage gestellt. Sam Peckinpah machte in The Wild Bunch klar, daß Verwundungen und Tod nicht mehr als simple Begleiterscheinungen einer romantischen Action-Story akzeptiert werden. In Sergio Leones Spiel mir das Lied vom Tod wird die Manufaktur des Meuchelns (Henry Fonda) noch einmal durch den stilisierten Rachefeldzug (Charles Bronson) gestoppt. Doch spätestens Sergio Corbucci insistierte in Leichen pflastern seinen Weg darauf, daß der Robin-Hood-hafte Revolverheld (Trintignant) eine stumme Witzfigur ist, der keine Chance hat gegen das bürgerliche Killer-Establishment (Kinski).

Im definitiven Spätwestern The Man who shot Liberty Valance entlarvt John Ford die Schizophrenie zwischen dem vermeintlich integeren Gesetzeshüter (James Stewart) und dem rauhbeinigen Waffenträger (John Wayne). Damit das berühmte Gesetz, das sich nach der Legende aus eigener Kraft erschaffen hat, überhaupt erst in kraft treten kann, ist es auf die Unterstützung des Gesetzlosen angewiesen, der, wie John Wayne auf den Punkt bringt, „jemanden erschießen und trotzdem noch gut schlafen kann“.

Das 20 Millionen Dollar teure Nostalgieprojekt Der Ruf des Adlers (Lonesome Dove), eine Verfilmung des 1986 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Romans von Larry McMurty, greift auf ein vergleichsweise naives, heroisches Bild des wilden Westens zurück. Als Regisseur wurde der Australier Simon Wincer importiert, der mit seinem aktuellen Kinofilm Harley Davidson und der Marlboro Mann einmal mehr bewiesen hat, wie distanzlos er amerikanischen Kinomythen gegenübersteht. Lonesome Dove ist ein betont altmodischer Western, der die Entwicklung des Genres bewußt ignoriert. Pioniergeist und Durchhalteparole werden nahezu ungebrochen reanimiert. Mit dieser musealen Geste erzielte die CBS-Produktion in den Staaten die höchste Einschaltquote. Der Überraschungserfolg bestätigt noch einmal John Fords bittere Feststellung aus The Man who shot Liberty Valance: „Unsere Legenden wollen wir bewahren. Sie sind für uns wahr geworden.“

Diese Legenden verkörpern die gestandenen Texasranger Gus McCrae (Robert Duval) und Woodrow Call (Tommy Lee Jones), die ihre (gestohlene) Rinderherde nicht 700, sondern gleich 2.500 Meilen westwärts treiben. Jake Spoon (Robert Urich), der Dritte im Bunde, kommt auf die schiefe Bahn, so daß seine eigenen Freunde ihn aufhängen müssen. Als Alibi-Farbiger steht den beiden Helden der loyale Scout Deets (Danny Glover) zur Seite. Von Jake mit leeren Versprechungen in der Wildnis zurückgelassen, findet Lorena (Diane Lane), die Hure mit dem goldenen Herzen, ein neues Heim bei Clara (Anjelica Huston). Die Ex- Prostituierte ist sowohl Gus' ewige Flamme, als auch die Mutter von Woodrows einzigem Sohn Newt (Ricky Schroder). Da die Weite des Landes auf dem Fernsehschirm ohnehin ihre Dimension einbüßt, fällt es nicht weiter auf, daß man sich über 2.500 Meilen ständig auf Claras Farm trifft, die ferner einen arbeitslosen Sheriff beherbergt, dem die hochschwangere Frau davonlief. Und damit die episch ausgebreitete Story nicht gar so eindeutig nach „Dallas mit Colt“ ausschaut, hat der Regisseur auf Ingredienzien des Spätwesterns zurückgegriffen. Das Ambiente ist bisweilen dreckig wie im Django-Film. Auf einträchtige Romanzen folgen jähe Gewaltausbrüche. Nebenbei erschießt eine Hure ihren Freier und beschwert sich über das viele Blut, das ihre Dielen verschmutzt. Pointiert blitzen einige Dialoge auf, die den Männermythos augenzwinkernd ankratzen: „Ist dir schon Mal aufgefallen, daß alles, was wir getan haben, falsch war?“ fragt Woodrow seine Kumpel einmal. Eine Frage, die die Geschichte dieses Sechsstünders, die leider nicht ohne einen hinterhältig bösen Indianer auskommt, eindeutig verneint. Manfred Riepe

Sendedaten: Teil 2: 11.1., 20.15 Uhr; Teil 3: 15.1., 21.00 Uhr; Teil 4: 17.1., 20.15 Uhr.