Deshalb die 22er

■ „My blue heaven“ von Herbert Ross

Das Grundmotiv ist so alt wie das Kino selbst: Ein Mann kommt in die Stadt und legt den Sündenpfuhl trocken. Zahllose Western fanden so zu Sinn und Showdown.

Nun hat sich Bonbonfarben-Spezialist Herbert Ross des Themas angenommen. Ein Regisseur, der die Welt gerne ein bißchen glatter hätte und sich mit Vorliebe an Außenseitern und Charakteren aus amerikanischen Provinznestern abarbeitet. Gleichzeitig ist ihm Amerikas großer Nihilist Steve Martin sympathisch, was ihn wiederum als schwer zu taxierende Mischung aus Menschenfreund und Zyniker ausweist. Auch mit My blue heaven ist Ross seinem zweigeteilten Selbst treu geblieben. Und, natürlich, der amerikanischen Provinz, siehe Frybourg. In dieses grundanständige Kleinstadtnest mit netten Menschen und gepflegtem Rasen, kurz: die Hölle, hat es den Ex- Mafioso Vinnie Antonelli verschlagen. Inkognito erwartet er hier den Tag, an dem er als Zeuge in einem Mafia-Prozeß aussagen soll.

Bis es so weit ist, trägt Vinnie alias Steve Martin die Zeichen einer neuen Zeit in die Herzen der Frybourger und ganz besonders in das seines Bewachers, FBI-Mann Coopersmith (Rick Moranis). Er macht die psychologische Bedeutung gut sitzender italienischer Anzüge populär und tut einiges für die Begrenzung der Teuerungsrate: Fünfzig Steaks kosten bei Antonelli nur 12,36 Dollar. My blue heaven: Dank italienischer Manieren herrscht unter dem blauen Himmel von Frybourg bald eine Atmosphäre ausgesuchter Leichtigkeit, die lediglich die örtliche Staatsanwältin schwer drückt. Die einzige Leiche bleibt eine Babyschildkröte, die ein völlig unbeabsichtigtes Ende in einem Küchenabfluß findet. Bemerkenswert ist allerdings, was die Episoden aus Harmlosigkeit und Komik in ihrem Kern ausmacht: Letztlich bleibt Vinnie mit seinen Methoden erfolgreich, die USA steht da als wenn auch bonbonfarbene Gangstergesellschaft. Aus dem fremden Edelmann, der einst Cowboys Moral predigte, ist ein Undercover-Mafioso geworden, der ein ganz neues Rechtsempfinden postuliert: Intelligenz sollte man nicht bestrafen. Auch dann nicht, wenn sie den Gesetzen der Allgemeinheit widerspricht.

In diesem Sinne siegt Ross dank seiner begnadeten Hauptdarsteller Martin und Moranis, dank Wortwitz und vor allem dank Situationskomik. Bei des Ex-Mafiosos streng geheimer Ankunft in New York empfängt ihn seine gesamte Verwandtschaft, und er erläutert auch, daß ein Kopfschuß mit einer 45er einfach größere Flecken auf dem Kissen hinterläßt. Deshalb die 22er. Christa Thelen

My Blue Heaven von Herbert Ross, mit Steve Martin, Rick Moranis, Joan Casack u.a., USA 1991, 95 Min.