Tauziehen um die Schwarzmeerflotte

■ Ukraine zeigt sich kompromißbereit, pocht aber weiter auf ihren Status als „Seemacht“ / Moskau befürchtet Ausverkauf ehemals sowjetischer Kriegsschiffe / Soldaten verweigern Fahneneid

Moskau (dpa/taz) — 1783 wurde sie von Katharina der Großen gegründet. 1905, als auf dem Panzerkreuzer Potemkin der berühmte Matrosenaufstand ausbrach, symbolisierte sie die beginnende Revolution. Heute ist die Schwarzmeerflotte ein Streitobjekt zwischen Rußland und der Ukraine.

Doch nicht mehr ganz so unversöhnlich wie gestern stehen sich die Parteien der neuen Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gegenüber. Unter dem Druck Rußlands hat die Ukraine ihre zunächst vorgetragene Forderung nach alleiniger Kontrolle über die Flotte abgeschwächt. Man sei bereit, das Problem „durch Verhandlungen zu lösen“, erklärte gestern der ukrainische Verteidigungsminister Konstantin Morosow. Zuvor hatte der russische Präsident Jelzin alle Kommandanten der Schwarzmeerflotte unter seinen „Schutz“ gestellt.

Ansonsten aber ist die Haltung der Ukrainer unverändert. „Als Seemacht“, so ließ Morosow verlauten, habe die Ukraine Anspruch auf eine Flotte, deren Hauptbasen auf ukrainischem Territorium liegen. Darüberhinaus kommen nicht nur 98 Prozent der Lebensmittel für die Besatzung aus Republiksbeständen, sondern die Ukraine zahlt auch noch den gesamten Sold der Mannschaft.

Der Standpunkt Rußlands: „Die ehemals sowjetische Flotte ist nicht teilbar“ und muß unter zentrales Kommando. Demonstrationen in beiden Lagern, die Vereidigung eines Teils der Soldaten auf die ukrainische Flagge sowie Weigerungen eines anderen Teils der Besatzungen — meist Angehörige anderer Republiken — haben den Konflikt auch innerhalb der Flotte weiter verschärft.

So nimmt der Kommandeur der Schwarzmeerflotte, Admiral Igor Kasatonow, „grundsätzlich nur Befehle des Oberbefehlshabers der GUS-Streitkräfte, Marschall Jewgeni Schaposchnikow, entgegen“. Außerdem sei die Ukraine nicht in der Lage, die Flotte mit der nötigen Logistik zu versehen, findet er.

Eine weitere Befürchtung, die man vorwiegend in Moskau hegt: Die Ukraine könnte wegen Devisenmangel dazu übergehen, vorhandene Schiffe und Flugzeuge zu verkaufen, die früher Eigentum der gesamten UdSSR gewesen sind. Und da steht einiges auf dem Spiel. So gehören nach Angaben der britischen Militärzeitschrift 'The Military Balance‘ folgende Einheiten und Militärfahrzeuge zur heutigen Schwarzmeer- Flotte: Insgesamt 56 U-Boote, 54 Kampfeinheiten mit Überwasserschiffen (Kreuzer, Zerstörer, Fregatten, Flugzeugträger), 119 FLugzeuge und 85 Hubschrauber der Marineluftwaffe, 94 Bomber, 25 Flugzeuge und 85 Hubschrauber für die Abwehr, fünf Tanker und Marineinfanterie von 3.000 Mann.

Strategisch gesehen hatte die Schwarzmeer-Flotte vor allem in Zeiten des kalten Krieges große Bedeutung. Immerhin liegt ihr eine Nato-Küste gegenüber, deren entscheidender Nachteil es ist, daß außer Marinestreitkräften, die es mit der Flotte aufnehmen könnten, auch entsprechende See- und Seeluftstützpunkte fehlen. Der ehemalige Flottenadmiral Sergej Gorschkow hatte sich einmal so ausgedrückt: „Seestreitkräfte sind am besten geeignet, die Interessen des Staates wirksam zu vertreten.“ bz