Aus Ping und Pong

■ Ein Dramatiker der nächsten Generation: Der 21-jährige Nicholas Hause, Achim

Geflohen nach Dänemark, „eine Nacht durchgekotzt“, dann endlich, endlich angefangen: Seitdem schreibt der Hause, und schreibt, und hinter ihm stehen schon die Schauspieler und nehmen ihm die Blätter aus der Hand und spielen. „Manchmal“, sagt Hause und kann schon wieder

Konzert Im Ei: demnächst uraufgeführt im Concordia

grinsen, „manchmal war mein Vorsprung denkbar gering.“

„Vorsprung!“ murmelt da Carsten Werner, der Regisseur, „zeitweise gab's zwei Stücke nebeneinander. Da ham wir uns nämlich selber eine Fabel gebaut mangels Text.“ Am kommenden Donnerstag aber ist unweigerlich Uraufführung, da zeigt der Jugendclub des Bremer Theaters das herzblutwarme Stück von Nicholas Hause, benamst: Konzert im Ei. Von den stillen Freuden der finnischen Musik. Rondo — aber erschrecken Sie nicht: es ist ein strenges, geradezu formbewußtes Spiel um, ja, den Menschen, wie er wandert auf Erden, nunmehr ohne noch vom Fleck zu kommen, denn er hat einen Datenhandschuh an und einen Simulationshelm auf, und seine Welt ist eine virtuelle: der Cyberspace.

Schon das erste Stück des Achimers, der in Bremen studiert, machte Turbulenzen: Wildwasser heimste den Münchner Jugend- Dramatikerpreis ein im Gegenwert von Mords-Publicity und 15.000 Mark. Dabei hatte sich Hause nur auf dem Flohmarkt für 19 Mark 80 die „Grundtechnik des Schreibens“ aus den Fünfzigern geholt, hat gebrütet über „Szenischer Steigerung“ und „Konfliktentfaltung“ — und hat dann von allem das genaue Gegenteil gemacht. „Heut muß ich sagen: was rauskam, war viel konventioneller als ich dachte.“

Heute findet er auch nichts mehr dabei, sich Formen anzueignen. Das alte Handbuch spielt keine Rolle mehr, umso wichtiger sind Jean Paul geworden und Beckett, auch Camus. Und die Medienphilosophen Baudrillard und Bartels. Von letzterem bezieht Hause die Ahnung, ein wenig in die Nachfolge des Barock zu neigen, allwo damals schon, wie im Eikonzert, die Form gefeiert, und das Leben als ein schwindliger Traumtanz genommen wurde, als ein Rondo der Ratlosen.

Mehr als alles liebt Hause das Ping und Pong der Dialoge. Die seinen hat er gekürzt und gekürzt, bis sie extralakonisch und schnell geworden sind. Erst wenn sie „aufeinanderklingen“, wie Hause sagt, ist er's zufrieden und baut komplizierte Sequenzen draus. Haspelig wie er ist, muß er sich schon Pläne zeichnen für seine Architekturen: Da hatte er zuhause eine große Pinnwand, voll mit Diagrammen und Manuskripten, mit farbigen Klebstreifen markiert; darüber herrschte mittels bunter Kreise die Mengenlehre, und Hause schnipselte und verschob und gruppierte neu,

hierhin bitte den Mann

hinter großen

Buchstaben

Preisgekrönt: Nicholas HauseFoto: Holzapfel

bis schon wieder die Schauspieler klingelten.

Sein Ensemble hatte er vorher: „Die haben alle blind gebucht!“ Der Jugendclub hatte das Stück bei Hause quasi in Auftrag gegeben. Am Anfang, als sozusagen der Dichter das Heft noch in der Hand hatte, ging's auch noch leichtgemut dahin: „Du bist Hamlet! sag ich zum Hauptdarsteller, willste mitspielen? Und du, Lutz, kuck dir mal Ophelia an und alle Frauen aus 'Platonov'!“

Aber dann. Fingen die an zu improvisieren, gar umzubauen, und Hause kam mit den Texten nicht nach. Einmal warf er ihnen in der Not ein Stück Rohszene hin, nur daß sie was hatten; inzwischen aber ist es ihm, wie es war, recht: „Was hätt's genützt, wenn ein depressiver Autor dabeigestanden wär, den am Ende jedes Komma quält“, sagt er und bemißt ein knappes Lächeln.

Er braucht ja doch, daß man ihn hetzt. Früher mal hat er, für seine Theatergruppe in Achim, ein „Märchen vom Knochenputzer“ geschrieben; und noch früher, in der 9. Klasse, ein Mysterienspiel in Knittelversen; und dies und jenes für die Zeitung und jetzt das Radio, „aber nie für die Schublade“.

Will er, der früh Beklatschte, jetzt ein großer Bühnenautor werden? Das muß er sich noch zweimal überlegen. Zur Genüge, sagt er, hat er gesehen, „wie mit andern Autoren umgesprungen wird“. Zum deutschen Theater kommt seinesgleichen durch den Textlieferanteneingang; nur preisbehangene Arbeiten von Jungdramatikern werden, sagt er, gerne husch-husch auf die Bühne gepfuscht: „Es gilt ja als mächtig schick“, sagt er, „Erstlingswerke zu entjungfern.“ Manfred Dworschak

Premiere: Do. 16.1., 20 Uhr im Concordia; danach geht's en suite weiter