ABM: Recycling statt Kulturarbeit

■ Kaum noch ABM-Chancen für arbeitslose AkademikerInnen / Haushalt um zwei Drittel gekürzt

Kultursenatorin Helga Trüpel kann sich auf ein hartes Jahr einstellen. Die rund 400 ABM-Stellen, ohne die kulturelle Breitenarbeit in Bremen kaum denkbar ist, werden dieses Jahr aller Voraussicht nach auslaufen. Dies ist eine Konsequenz der Beschlüsse der Bundesanstalt für Arbeit, die den ABM-Haushalt für die alten Bundesländer im Dezember um 54O Millionen Mark gekürzt hat.

Was diese Kahlschlagespolitik bedeutet, erläuterte der Direktor des Arbeitsamtes Bremen, Ernst Domino, gestern in einer Pressekonferenz. Statt wie bisher 116,9 Millionen Mark wird das Arbeitsamt Bremen 1992 laut Bescheid aus Nürnberg nur noch 35 Millionen Mark zur Verfügung haben. Wieviel ABM-Stellen dann noch zu finanzieren sind, ist noch nicht genau klar. Doch wo die Schnitte am tiefsten sein werden, wußte Domino gestern bereits zu sagen: „Die Gruppe der Akademiker muß sich darauf einrichten, daß hier gewaltig gespart wird.“

Rund ein Viertel der 3.176 ABM-Stellen des Jahres 1991 waren von AkademikerInnen besetzt. Im Verhältnis zu den knapp zehn Prozent der Arbeitslosen, die AkademikerInnen stellen, werden Hochschulabsolventen zahlenmäßig bevorzugt. Das Arbeitsamt will aber bei knapper werdenden Mitteln verstärkt die auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen berücksichtigen. Domino: „Wenn Akademiker mehr Mobilität zeigen, gibt es hervorragende Ansatzpunkte auf dem Arbeitsmarkt.“

Ein weiteres Minus für AkademikerInnen: Diese AB-Maßnahmen haben sich für das Arbeitsamt in der Vergangenheit immer wieder als „Sackgasse“ erwiesen. Nur sehr wenige HochschulabsolventInnen wurden nach der ABM-Zeit in feste Dienstverhältnisse übernommen. Im Zusammenhang mit den Stellen im Kulturbereich schreibt das Arbeitsamt: „Die besondere Bedeutung derartiger Projekte ist allerdings mehr im sozial-und kulturpolitischen Zusammenhang zu sehen. Dagegen ist der arbeitsmarktpolitische Wert über die vorübergehende Schaffung von Arbeitsgelegenheiten hinaus gering zu bewerten.“

Eine Kürzung im Akademikerbereich würde dem Arbeitsamt zudem die Möglichkeit bieten, den Einbruch in den anderen Bereichen weitgehend zu vermeiden. Denn die 25 Prozent Akademiker-ABM verschlingen die Hälfte des bisherigen Haushaltsvolumens, weil die Stellen für Arbeitslosenberatung oder Kulturarbeit wesentlich besser dotiert werden, als zum Beispiel die Stelle eines Abfallsortierers auf eine Recyclinghof.

Eine kleine Hoffnung setzt Domino noch auf den Haushalt des Landes Bremen. Bislang wurden die ABM-Mittel aus Nürnberg von dort noch einmal um rund 35 Millionen aufgestockt. „Wenn Bremen diese Summe hält, dann würde der Absturz nicht ganz so dramatisch.“ Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Denn das Geld vom Arbeitssenator wurde bislang dafür genutzt, die 80-Prozent-Förderung aus Nürnberg auf 100 Prozent aufzustocken. Bleibt es bei dem 20 Prozent-Zuschuß, dann würde Bremen künftig nur noch sieben Millionen Mark zuschießen.

„Theoretisch ist es vorstellbar, daß der Prozentsatz aufgestockt wird“, meinte der Sprecher von Arbeitssenatorin Sabine Uhl, Jörg Henschen, auf Nachfrage. Doch solche Signale seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt falsch. Zunächst wollen die norddeutschen Arbeitssenatoren versuchen, über den Bundesrat noch einmal Einfluß auf die ABM-Kürzungen zu nehmen. Zudem, so Henschen, sei eine Bezuschussung von ABM um beispielsweise 50 Prozent unsinnig: „Dann kann man ja auch gleich feste Stellen schaffen.“

Holger Bruns-Kösters