Aschfahl zurück ins Weiße Haus

Nach 26.000 Meilen Asienreise hat US-Präsident Bush seinen Wählern daheim vor allem eines demonstriert: außenpolitischen Dilettantismus/ „Japan bashing“ salonfähig gemacht  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Die Metapher hätte nicht deutlicher ausfallen können. Ein Handelsreisender, der sich zuviel vornahm und seinen unüberlegten Aktivismus mit einem peinlichen Kollaps bezahlen mußte. Ein Präsident, der einen fremden Staat für die hausgemachte Malaise verantwortlich machen wollte und dabei ungewollt nur die eigenen Unzulänglichkeiten ins Bild rückte.

„Mach, daß du nach Hause kommst“, hatte die weitsichtige 'Financial Times‘ dem weitgereisten George Bush schon geraten, noch bevor er beim Staatsbankett am Mittwoch in Tokio mit einem Grippeanfall zusammengebrochen war. „The Trip from Hell“, beschrieb die 'Washington Post‘ jetzt das höllische Reisedebakel des sonst so gewieften Außenpolitikers.

Dabei war George Bush zu Jahresbeginn ausgezogen, um es seinen Kritikern daheim und den vermeintlich unfairen Handelspartnern im Fernen Osten noch einmal zu zeigen. Nachdem er seine geplante Pazifik- Reise im November aus innenpolitischen Gründen verschoben hatte, kündigte er mit seinem Aufbruch nach Sidney, Singapur und Tokio eine kühne Verbindung von Innen- und Außenpolitik an.

George Bush wollte die Interessen des amerikanischen Arbeiters jetzt auch — und gerade — im Fernen Osten vertreten. „Jobs, Jobs, Jobs“ seien das Ziel seiner Reise, erklärte der US-Präsident just in der Woche, in der die amerikanische Autoindustrie neue Massenentlassungen bekanntgab. So als läge das Schicksal der darniederliegenden US-Wirtschaft allein in den Händen der japanischen Regierung.

Zehn Tage, 26.000 Meilen und zehn Zeitzonen später kehrte George Bush am Freitag nun aschfahl und angeschlagen ins Weiße Haus zurück: mit einem „Wachstumspaket“, das kaum das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht; und mit Versprechungen der japanischen Seite, die nicht nur von den mitreisenden Vertretern der amerikanischen Autoindustrie als rein symbolische Gesten abgetan werden.

Am ehesten werden noch die Vereinbarungen zur Öffnung des abgeschotteten japanischen Computermarktes den US-Exporteuren helfen. Das Feilschen um die Zulassung von 20.000 zusätzlichen US-Fahrzeugen auf Nippons Straßen war dagegen eher peinlich; gekoppelt mit Premier Miyazawas Mahnung an seine Landsleute, man müsse halt gegenüber den an ihrer Rezession leidenden Amerikanern mehr „Mitgefühl“ zeigen. Ein Mitgefühl dazu noch mit ausgesprochenem Selbstinteresse. Denn alles andere als eine Wiederwahl George Bushs bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember — nämlich ein protektionistischer Demokrat im Weißen Haus — wäre in den Augen der Japaner eine Katastrophe.

Doch vorläufig ist die Katastrophe die des George Bush. Indem er die Japaner zur Kulisse für seine Wahlkampftour machte, sorgte er beim Handelspartner für Verärgerung, die noch lange zu spüren sein wird. Indem er seinen Fernost-Trip zur Handelsmission degradierte, weckte Bush daheim Erwartungen, die notwendigerweise enttäuscht werden müssen.

Von seiner Ankunft in Sidney an lief für die Entourage Bushs so ziemlich alles schief. Als er die Australier zu „freiem Handel“ ermahnte, hielten ihm die dort demonstrierenden Bauern die US-Handelsbarrieren für australische Farmimporte vor. Auch der Abstecher nach Singapur, der neuen Basis für die US-Streitkräfte im Pazifik, vermochte das Defizit in der strategischen Planung der USA für die so lange vernachlässigte Region nicht überdecken. Bushs Fernost-Reise glich dem ritualisierten Europa-Trip seiner Landsleute: möglichst viel abhaken, um denen zu Hause imponieren zu können, ohne wirklich etwas zu sehen.

Doch nirgendwo wurde der derzeitige Ad-hoc-Charakter der amerikanischen Außenpolitik deutlicher als während seines Japan-Besuchs. Um seinen demokratischen und protektionistischen Kritikern daheim den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte Bush ausgerechnet solche Industriekapitäne mit in seinen Reisetroß aufgenommen, die mehr für das Debakel der US-Industrie verantwortlich sind als alle 120 Millionen Japaner zusammengenommen. Statt als effektive Lobbyisten entpuppten sich die 21 Herren denn auch als wandelnde Beispiele für die industrielle Inkompetenz Amerikas und das obszöne Lohn-Leistungs-Verhältnis in den amerikanischen Aufsichtsratsetagen.

Erneut wurde bei den Verhandlungen in Tokio auch die ideologische Borniertheit der Bush-Administration deutlich. Denn nicht die immer wieder beklagte Größe des US- japanischen Handelsbilanzungleichgewichts, sondern seine Zusammensetzung, nicht die ewig kritisierten Importsperren für Reis, sondern das Zurückbleiben der USA auf bestimmten Wirtschaftssektoren sind das Problem.

Jenes dogmatische Festhalten an einer nicht einmal selbst praktizierten Freihandelspolitik und die unleidige Verquickung von Wahlkampf und globaler Wirtschaftspolitik werden das japanisch-amerikanische Verhältnis in diesem Jahr weiter belasten.

George Bushs in jeder Hinsicht katastrophale Fernost-Tour trägt dabei alle Merkmale seiner in den letzten Monaten in Schwierigkeiten geratenen Präsidentschaft: Kurzzeitdenken und das Nicht-wahr-haben- Wollen der wirklichen Problemdimension; die Instrumentalisierung wichtiger Politikbereiche und die Ausnutzung von rassistischen Ressentiments für vordergründige Wahlkampfziele. Immerhin hat er mit seinem wahlpolitischen Opportunismus das „Japan bashing“ in den USA jetzt salonfähig gemacht.

Der Mann, der noch vor einem Jahr als siegreicher Feldherr im Golfkrieg brillierte, hat sich jetzt in Fernost als Dilettant auf dem Gebiet entpuppt, auf dem die Auseinandersetzungen der Zukunft ausgefochten werden: bei der Verbindung nationaler und globaler Wirtschafts- und Handelspolitik. Zum Schaden für die fernöstliche Welt und die Bürger in den heimischen Wahlkreisen.