Vom Verfahrensstreit in die Krise

US-Außenminister Baker soll vermitteln/ Keine Bewegung in der Frage des Siedlungsstopps  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach dem als sensationell verkündeten „Durchbruch“ gibt es bei den Nahost-Gesprächen in Washington jetzt nach palästinensischen Angaben die erste wirkliche Krise, nachdem die israelische Seite die Forderung nach einem Siedlungsstopp abgelehnt hat. Die israelische Delegation unter Leitung von Eliakim Rubinstein besteht auf der Festlegung einer Tagesordnung, die das Programm einer „Zwischenlösung“ für eine arabische Selbstverwaltung in den besetzten Gebieten zum Hauptinhalt hat. Außerdem sollten sich die Delegationen über Zeitpunkt und Ort der weiteren Verhandlungsrunden — in „Europa“ — einigen, was jedoch nicht geschah.

Palästinensische Delegationsteilnehmer weisen darauf hin, daß es ohne einen Siedlungsstopp in der Westbank und dem Gaza-Streifen keine weiteren Friedensgespräche geben kann. Außerdem legten sie einen Plan für eine Selbstverwaltung und einen Rückzug der israelischen Truppen vor. Hanan Aschrawi beschrieb den gegenwärtigen Zustand bei der nunmehr dritten Gesprächsrunde als „Sackgasse“. Rubinstein wollte sich zu den palästinensischen Erklärungen nicht äußern. Ein Zeichen für die Lage ist, daß sich gestern die Leiter der israelischen und jordanisch-palästinensischen Delegationen mit US-Außenminister Baker treffen wollten, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Angesetzt waren auch israelisch-jordanische Gespräche, während bei den Runden mit Syrien bislang keine Fortschritte erzielt wurden.

In Israel selbst sowie den besetzten Gebieten hat sich die Lage weiter zugespitzt, nachdem am Dienstag abend ein Bus mit jüdischen Siedlern in der Westbank unter Beschuß genommen wurde. Sechs Siedler und ein Soldat, der als Wache mitfuhr, wurden verletzt. Die Siedler reagierten umgehend und errichteten vier neue Siedlungen, die Gründung einer fünften wurde von der Armee verhindert. Ministerpräsident Jizchak Schamir kam gestern mit den militant-rechten Mistern Zeevi und Neeman zusammen, um einen letzten Versuch zu unternehmen, sie in der Koalition zu halten. Allerdings haben die Arbeiterpartei und kleinere linke oppositionelle Fraktionen Schamir ihre Unterstützung zugesagt, falls dieser zu Konzessionen in der Autonomie-Frage bereit ist und die Verhandlungen weiterführen will. Schamir scheint jedoch nicht bereit zu sein, sich von der Opposition bedingt unterstützen zu lassen. Andererseits möchte er jedoch das Überleben der Koalition sichern, zumindest so lange, bis die Verhandlungen mit den USA über die Kreditgarantien beendet sind.