Einsamkeit des Finanzexperten

Einsamkeit des Finanzexperten

Journalisten haben es gut. Abends an der Theke finden sie stets ein offenes Ohr, wenn sie von ihren abenteuerlichen Recherchen erzählen und den finsteren Skandalen, die sie eben wieder aufgedeckt haben. Politiker haben es auch gut. Wie sie es heute wieder geschafft haben, natürlich gegen viele Widerstände des zuständigen Senators, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Problem der schleppenden Papierkorbleerung am Breitscheidplatz zu lenken — das nötigt den Lieben daheim schon ziemliche Bewunderung ab.

Haushaltsexperten dagegen haben es schwer. Unter finsteren Skandalen oder überquellenden Papierkörben kann sich jeder etwas vorstellen. Nicht aber unter »Haushaltssperren für die Hauptgruppen 5 und 6«, »außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigungen« sowie unter einer »erhöhten Nettokreditaufnahme aufgrund nicht vorhersehbarer Mindereinnahmen beim Haushaltsvollzug«. Davon möchte keiner etwas hören.

Die wenigen Haushaltsexperten, die es gibt, müssen folglich eng zusammenrücken. So auch Horst Grysczyk und Gerd Büttner. Der Beruf des einen war es, den Berliner Haushaltsplan aufzustellen. Der andere wurde dafür bezahlt, ihn zu zerpflücken. Trotzdem kamen Grysczyk, Abteilungsleiter in der Senatsfinanzverwaltung, und Büttner, finanzpolitischer Assistent der Fraktion Bündnis 90/Grüne, stets blendend miteinander aus. Als ginge es eher um ein Gesellschaftsspiel als um große Politik, trug es Grysczyk mit anerkennender Gelassenheit, wenn Büttner vorzeitig einen internen Finanzplan in die Finger bekommen hatte. Büttner wiederum war dankbar, in Grysczyk immer einen kompetenten Ansprechpartner zu haben.

Der grüne Finanzexperte war nicht der einzige, der die Qualitäten des Abteilungsleiters schätzte. Nachdem Grysczyks Name monatelang für die verschiedensten Ämter gehandelt wurde, verließ er am 1.Januar seinen Posten und wechselte in das Amt des Rechnungshofchefs.

Prompt hielt es auch Büttner nicht an seinem Platz. Seit Jahresbeginn arbeitet er als Leitungsreferent für die brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler vom Bündnis 90. Ohne Grysczyk, so Büttner zu den Gründen seines Weggangs, mache das in Berlin nur noch halb soviel Spaß. Dem Rechnungshofpräsidenten scheint Büttner ebenfalls zu fehlen. Erst kürzlich erkundigte er sich besorgt, ob man denn vom Wohlergehen des grünen Referenten etwas gehört habe...

Wir Journalisten und die Politiker leiden übrigens alle mit. Kein Büttner, kein Grysczyk — wer soll uns denn jetzt noch erklären, was zum Teufel eine Verpflichtungsermächtigung eigentlich ist?