Kino unter freiem Himmel

■ Berliner Freilichtkinos: Wo man sich amüsieren kann — nicht umsonst, dafür draußen

Als Sam Shepard alias Homo Faber sich die erste Zigarette anzündet, zieht eine Nikotinwolke herüber. Während der unumgänglichen Bettszene drängen sich die umsitzenden Aftershaves und Eau de Toilettes in die Nase. Im Freiluftkino ist es nicht miefig, unterm Himmel bleiben Sinne frei — der Abend als Gesamtkunstwerk, bis am Ende die Filmtitel im Blattwerk verschwinden. Zu erleben ist selbiges — wenn es nicht gerade in Strömen gießt — in Berlin inzwischen an vier Orten. In der Freilichtbühne am Weißen See im Ostteil, im Volkspark Hasenheide in Neukölln, in der Waldbühne und im UFO-Kino der UFA-Fabrik in Tempelhof. Hollywood für HundeführerInnen? Auf dem Weg zum Freiluft-Kino in der Hasenheide, streift man die Freiluftkneipe »Hasenschänke«, wo die alternativen Herrchen und Frauchen sich beim Schultheiß ausruhen vom Gassigehen. Große Rudel Vierbeiner lagern um die Gartentische. Doch für Hunde ist am Kinoeingang Schluß. No dogs, acht Mark Einritt, Kinder bis sechs Jahre umsonst. Die Stimmung im Mini-Coloseum wird in der Dämmerung nur durch einige Mücken gestört, es gibt soviel Grün drumherum.

Ein Mückenmittel braucht's allerdings nicht gleich, dafür ist eine Strickjacke äußerst empfehlenswert in diesem Nichtsommer genauso wie ein Kissen und/oder eine Wolldecke für das Hinterteil. Zur Einstimmung laufen Film-Soundtracks, der Getränke- und Süssigkeitenstand ist sehr gut bestückt. Eine Perle ist der charmante Ansager, der zur Konsumpause zwischen den Filmrollen ruft und verlorene Autoschlüssel annonciert. Wenn er auch noch das Filmgeschehen kommentiert, bleibt der Applaus nicht aus.

Veranstalter in der Hasenheide ist das Sputnik-Kino, das recht ambitionierte und dichte Programm läßt zwischen dem Kassenschlager für Zwangsheterosexuelle Betty Blue und der No-Budget-Auswahl der Berliner Kurzfilmgruppe »Der Jochen« nichts aus. Die Filme beginnen um 21.45 oder 21.30 Uhr. Keine Angst vor Regen: Zur Not läßt sich der Film auch verkehrt herum schauen. Unter dem Dach hinter der Leinwand ist Platz für einige Unentwegte. Bei Themroc waren es einige hundert. »Das Erbe des Faschismus war Schutt und Ruinen. Durch freiwillige Arbeit der Bevölkerung im Nationalen Aufbauwerk entstand diese Anlage — eine Tat des Friedens«. Mitten im Park in Weißensee liegt das Freilichtkino, unweit der obigen bronzenen Gedenktafel von 1955. Rundrum einige ruhige Wohnstraßen. Die Infrastruktur ist für einen ganzen Tag gemacht: Freibad, Fontäne, Eiscafé. Auf einer Planschwiese für die Kleinen, speien steinerne Seelöwen Wasser. Nebenan ein Tiergehege mit Damwild. Liebespaare kreisen mit Sekt bestückt um den See.

Ein Kleinstadtpark in der Großstadt, realsozialistische Idylle, mit Arbeiterdenkmalen und Klettergerüsten. Seit kurzem haben die Leute vom Alhambra-Kino in der Freilichtbühne ihre Leinwand aus Fallschirmseide, die sich bei Wind leicht bläht und für schöne Verfremdungseffekte sorgt. Filmbeginn 21.45 Uhr, Einlaß 20.30 Uhr. Eintritt 6 Mark. Im Programm viele Komödien, natürlich darf der DDR-Öffnungs-Klassiker Dirty Dancing nicht fehlen.

Viel Dach bietet das Gartenkino der Tempelhofer UFA-Fabrik, das es schon einige Jahre gibt. Die gastronomische Ergänzung mit Bar und Café ist natürlich perfekt. Neben einem »Kultfilm«-Programm gibt es im UFO-Freiluftkino ein Zeichentrickfilmfestival, den restaurierten Metropolis-Film und den Klassiker Die Feuerzangenbowle mit Feuerzangenbowle in der Pause. Das Massenpicknick mit Film in der riesigen Waldbühnenarena mit 20.000 Plätzen hat ebenfalls schon fast Tradition.

Das Programm machen »concert concept« und einige große Sponsoren. Entsprechend risikoscheu wurde Hit an Hit gereiht. Schwerpunkt sind Teen-Schlager wie Stand By Me, Blues Brothers und American Graffiti.Maximilian Preisler