Todesstrafe gegen Exilkubaner vollstreckt

■ Trotz internationaler Gnadenappelle Todesurteil in Kuba vollstreckt/ Innenpolitisch beschwört Castro die Belagerungsmentalität und setzt gleichzeitig die Opposition unter Druck/ Ideologische Rhetorik

Havanna/Miami (afp/wps/taz) — Auf Kuba ist am Montag die Todesstrafe gegen den 38jährigen Exilkubaner Eduardo Diaz Betancourt vollstreckt worden. Das meldete die kubanische Nachrichtenagentur 'ain‘. Diaz Betancourt war zusammen mit zwei Komplizen von den USA aus heimlich mit Waffen und Sprengstoff nach Kuba gelangt und am 29. Dezember des vergangenen Jahres festgenommen worden.

Das Provinzgericht in Havanna hatte die beiden anderen Exilkubaner, den 26jährigen Pedro Alvarez Pedroso und den 36jährigen Daniel Santovenia Fernandez, wegen versuchter Terroranschläge ebenfalls zum Tod durch Erschießen verurteilt. Im Fall von Alvarez Pedroso hatte das Oberste Gericht die Todesstrafe in 30 Jahre Gefängnis umgewandelt. Das Todesurteil gegen Santovenia Fernandez hatte der kubanische Staatsrat, die letzte Berufungsinstanz unter Leitung von Staats- und Parteichef Fidel Castro, am Wochenende in eine 30jährige Freiheitsstrafe abgeändert.

Gegen die Todesurteile hatten sich neben dem Weißen Haus und dem Außenministerium in Washington zahlreiche Persönlichkeiten in aller Welt ausgesprochen, unter ihnen der kolumbianische Autor und Literaturnobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez, ein persönlicher Freund des kubanischen Präsidenten, der spanische Ministerpräsident Felipe Gonzalez sowie die Präsidenten von Kolumbien und Ecuador, Cesar Gaviria und Rodrigo Borja. Der Staatsrat hatte erklärt, er respektiere die Gnadengesuche von „Menschen guten Glaubens“, zugleich jedoch darauf hingewiesen, daß seine Entscheidungen „der Sicherheit, der Stabilität, dem Frieden und dem Schutz des Lebens unserer Landsleute untergeordnet“ seien. Der Staatsrat kritisierte ferner das „Konzert heuchlerischer Stimmen“, die um Gnade für die Verurteilten bäten, aber kein Wort über das Verbrechen verlören, das die illegale Einreise nach Kuba mit dem Ziel, Sprengstoffattentate zu verüben und „die Bevölkerung zu massakrieren“, darstelle. Unerträglich sei auch, daß die kubanischen Exilanten in Miami im US-Bundesstaat Florida ungestraft ihren gewalttätigen Aktivitäten nachgehen dürften. In Florida trainieren zum Beispiel die Mitglieder der militanten Gruppierung von „Alpha 66“ für eine Invasion auf Kuba.

Innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden der Hinrichtung versammelten sich in Miami am Denkmal für die Invasion in der Schweinebucht rund 100 Exilkubaner, riefen „Libertad“ und schwenkten Transparente mit Aufschriften wie „Wenn kubanische Mütter weinen, zittern Castros Tyrannen“.

Die Vollstreckung des Todesurteils ist offensichtlich Teil einer Kampfansage gegen jede Form von Opposition — auch gegen die kleine Demokratiebewegung im Land. Die hatte Ende der achtziger Jahre einen allerdings sehr kurzen Frühling erlebt, als sie sich im Zuge von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion auch auf Kuba etwas Spielraum erkämpfen konnte. Plötzlich durften ihre Mitglieder öffentlich werben und sich mit ausländischen Journalisten treffen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der zunehmenden internationalen Isolation Kubas fand diese Phase der Liberalisierung ein jähes Ende. Seit dem gescheiterten Putschversuch in Moskau sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wie „Americas Watch“ mindestens 60 Dissidenten auf Kuba verhaftet worden. Mindestens 45 Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle sitzen zur Zeit Gefängnisstrafen ab oder befinden sich in Untersuchungshaft. Den Verhaftungen gehen häufig „spontane Aktionen des Protestes“ voraus — die offizielle Umschreibung für manchmal gewalttätige Demonstrationen von loyalen Parteimitgliedern. In einem Fall wurde nach Angaben von Menschenrechstaktivisten die kubanische Dichterin Maria Elena Cruz von einer solchen Menschenmenge angegriffen und gezungen, ihre eigenen politischen Schriften aufzuessen. Cruz hatte sich unter anderem in einem Brief an Staatschef Fidel Castro für demokratische Reformen eingesetzt.

Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind derart „spontane Aktionen“ von Sicherheitsbeamten initiiert. Verteidigungsminister Raul Castro hatte unlängst angedroht, die sogenannten „Revolutionstribunale“ wieder einzuführen, die nach der Machtübernahme Castros 1959 für Tausende von Todesurteilen gegen Castro-Gegner verantwortlich zeichneten. Die Drohung des Verteidigungsministers ist Indiz für die zunehmend rabiate Rhetorik kubanischer Politiker, frei nach dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ In Reden und Stellungnahmen wird immer wieder eine Art Belagerungsmentalität beschworen — ideologisches Rezept auch gegen die sich weiter verschlechternde ökonomische Situation auf Kuba. anb