Neonazi Polacek aus BRD ausgewiesen

■ Niedersachsens Innenminister nutzte Unvorsichtigkeit des Neonazis

Ein Spruchband mit der Aufschrift „Die FAP bleibt in Mackenrode“ brachte Neonazi Karl Polacek (56) das Aus: Polizisten nahmen den Landesvorsitzenden der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) fest, als er gestern gegen 9 Uhr das Transparent an seinem Haus in Mackenrode anbringen wollte. Nur gut eine Stunde später war der als Leitfigur der norddeutschen Rechtsradikalen geltende ehemalige Holzfäller und Seemann auf dem Weg in sein Heimatland. Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) hatte seine Ankündigung vom Januar 1991 wahrgemacht, er wolle Polacek ausweisen.

Der Minister berief sich auf Paragraph 45 des Ausländergesetzes. Dieser läßt eine Ausweisung zu, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Insbesondere könne ausgewiesen werden, wer sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteilige, öffentlich zur Gewaltanwendung aufrufe damit drohe.

Gegen Polacek, der seit 1964 in Deutschland lebt und seit Mitte der 70er Jahre in Mackenrode wohnt, wurde zum Zeitpunkt von Glogowskis Ankündigung bereits wegen Körperverletzung ermittelt. Aus dem Innenministerium hieß es daher zunächst, der Ausgang des Verfahrens solle abgewartet werden. Dann platzte der Prozeß, weil Polaceks Anwalt sein Mandat mit der Begründung niederlegte, er werde von Autonomen bedroht. Darauf kündigte das Innenministerium an, es wolle den Neonazi auch ohne Prozeß ausweisen. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen wurde Polacek im August wegen Körperverletzung vom Amtsgericht Duderstadt zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein.

Wieder geschah zunächst nichts. Erst im Oktober erließ der zuständige Landkreis Göttingen die Ausweisungsverfügung, gegen die Polacek prompt Widerspruch beim Verwaltungsgericht Braunschweig einlegte. Dieses entschied im Dezember gegen ihn, doch Polacek konnte weiter bleiben. Er hatte sein letztes Rechtsmittel, die Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg, eingelegt. Doch dieses Mal wartete Innenminister Glogowski nicht mehr ab, weder OVG-Entscheidung noch Berufungsverhandlung. Er wies den Landkreis, wohl nach intensiven Gesprächen mit dem OVG und der zuständigen Staatsanwaltschaft, am Freitag an, die Ausweisung zu vollziehen.

Der Minister hofft nun, daß sich die von Polacek immer wieder angeheizte Gewaltszene im Bereich Göttingen beruhigt. Besonders innerhalb der letzten beiden Jahre war es in und um Göttingen immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsradikalen und Autonomen gekommen. Ein Anhänger des Neonazis hatte in der Neujahrsnacht 1991 nach einem Streit einen 21 Jahre alten Bundeswehrsoldaten erstochen. Im Oktober 1991 überfielen 50 bis 70 Autonome das Haus des Österreichers, in dem dieser mit etwa 30 Gesinnungsgenossen seinen Geburtstag feierte. Dabei flogen Brandsätze und Steine, wurden Eisenstangen geschwungen. Es gab Verletzte.

Der Österreicher selbst hatte im Juli 1990 mit einem Beil eine 28jährige Studentin verletzt, die sich mit drei weiteren der autonomen Szene zugerechneten Personen vor dem als Hauptquartier von Neonazis geltenden Haus Polaceks aufhielt. Vor Gericht hatte der 56 Jahre alte Neonazi erklärt, die Frau sei ihm „ins Beil gefallen“. Hannes Boekhoff, dpa