L — einwandfrei — aber für wen?

■ Die Treuhandanstalt erteilte Zuschlag für Ostkinos

Die unendliche Geschichte der Ostberliner Kinos nach der Wende ist um ein neues Kapitel reicher, aber noch lange nicht zu Ende: Um die Kinos, die zu DDR-Zeiten allesamt von der Bezirksfilmdirektion Berlin geführt wurden, hatte sich im letzten Jahr ein erbittertes Tauziehen zwischen dem Magistrat, später Senat Berlin und der Treuhandanstalt entwickelt. Kunst oder Kommerz — das war hier die Frage? Der Senat war der Auffassung, daß es sich bei den Kinos, die rein rechtlich dem Land Berlin zugefallen waren, um kommunale Kultureinrichtungen handele, über deren weiteres Schicksal er zu entscheiden habe: Pachtverträge für zwölf Ostberliner Kinos waren schon im Herbst 1990 unterschriftsreif und sahen vor, daß alle etwas bekommen sollten: westdeutsche Kinogroßunternehmer, Westberliner Kinomittelständler sowie die Überreste des DDR-Film- und Kinowesens.

Da trat die Treuhand auf den Spiel-Plan: Kinos seien zwar auch irgendwie Kultur, aber vorrangig Wirtschaftsunternehmungen und somit der Verwertung durch die Treuhand vorbehalten. Die Verträge wurden storniert, statt dessen eine öffentliche Ausschreibung organisiert. Deren Ergebnisse teilte die Treuhand gestern mit: Sechs von ausgeschriebenen zehn Kinos werden sofort an Investoren zugeschlagen, bei weiteren drei Kinos sind noch Nachverhandlungen vonnöten, für ein Kino wird aufgrund neuer Denkmalschutzauflagen ein neues Konzept erforderlich. Bloß wer die Kinos nun bekommen hat und wieviel dafür gezahlt wurde, darüber hüllt sich die Treuhand weiter in großes Stillschweigen und verweist auf den Investorenschutz bis zur endgültigen notariellen Absegnung der Verkäufe. Klar ist nach wie vor nur soviel, wie schon in den Ausschreibungsrichtlinien zu lesen war: Alle Kinos müssen für die nächsten zehn Jahre weiterhin als Kino genutzt werden, vier Kinos müssen Pächter aus den neuen Bundesländern bekommen, und die Mitarbeiter müssen übernommen werden. Aber von wem?

Auch mit bohrenden Nachfragen ließ sich dem zuständigen Treuhandverweser Gert Sielaff nur soviel entlocken, daß es sich bei den Investoren um eine gesunde Mischung aus Kinobetreibern sowie Brachenfremden handelt und daß für die beiden größten Happen — das »International« und das »Filmtheater am Friedrichshain« — noch kein Zuschlag erfolgt ist. Bei beiden Objekten handelt es sich um 1a-Immobilien, deren Schwindel-Grundstückspreise schon heute mit einer Kinonutzung nicht mehr zu realisieren sind: Sie werden Unter-anderem-auch-Kinos werden.

Doch selbst wenn die Namen der Investoren bekannt wären, wüßte man noch nichts Genaues über das folgende Programm: Den Investoren geht es nämlich um die Grundstücke, die Kinos werden sie verpachten — an wen?

Fazit bisher: Die Treuhand hat bewiesen, daß sie mit ihrer Auffassung recht hatte, daß Kinos Wirtschaftsbetriebe sind, sonst hätte sie sie nicht verkaufen können, und Bewerber gab es reichlich. Ferner hat die Treuhand bewiesen, daß sie kulturliebend ist, schließlich bleiben die Kinos Kinos, zunächst: Nur daß Kino nicht gleich Kino ist, das wird die Treuhand nie begreifen. In zirka zwei Monaten will die Treuhand Roß und Reiter für die Kinos namentlich verkünden, und spätestens dann wird sich bewahrheiten, was jetzt schon so gut wie sicher ist: Daß nämlich von der ursprünglichen Absicht des Senats, der Stadt eine lebendige Kinoszene zu erhalten, nicht mehr als ein verwässerter Kompromiß übrigbleiben wird. lutz ehrlich