Jäger des verlorenen Schatzes

Bündnis 90/Grüne attackiert Bundesregierung wegen Behinderung beim Aufspüren der SED-Millionen/ Sogar der Bundesrechnungshof mosert schon  ■ Aus Bonn Thomas Scheuer

Auf welchen Auslandskonten parken die verschwundenen Millionen der ehemaligen SED-Bonzen und ihres Goldfingers Alexander Schalck-Golodkowski? Die Frage beschäftigt Öffentlichkeit und Medien. Die Bundesregierung hingegen scheint es so genau nicht wissen zu wollen. Jetzt kritisiert sogar der Bundesrechnungshof die zögerliche Aufklärung des größtenteils im Ausland vermuteten Ex-SED-Parteischatzes. In einem am Montag in Bonn bekanntgewordenen Bericht an die unabhängige Kommission Parteivermögen rügt die Kontrollbehörde: „Eine weitere Verzögerung kann nicht hingenommen werden.“ Die Kommission sei ihrem gesetzlichen Auftrag, einen Bericht über das Vermögen der ehemaligen DDR-Blockparteien und deren Organisationen zum Stichtag 7. Oktober 1990 zu erstellen, nicht nachgekommen.

„Diese Kritik des Bundesrechnungshofes besteht zu Recht,“ räumte am Dienstag in Bonn Reinhard Krämer, Kommissions-Mitglied für das Bündnis 90/Grüne, vor Journalisten ein, münzte sie jedoch postwendend in eine Attacke gegen die Bundesregierung um: Bundesinnenminister Seiters (CDU) verweigere der Kommission bis heute den Einblick in vier Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft Arthur Andersen über das ehemalige SED- Finanzimperium. Der Witz dabei: Die Berichte hatte die Kommission selbst in Auftrag gegeben; die Wirtschaftsprüfer wiederum stellten einen erheblichen Handlungsbedarf der Kommission fest. Doch die Papiere schlummern in den Schubladen des Kommissions-Sekretariats, das dem Bundesinnenminister untersteht. „Es kann nicht länger geduldet werden“, so das Fazit Krämers, „daß die Unabhängigkeit der Kommission schrittweise ausgehöhlt wird.“

Das stark verschachtelte SED- Auslandsfirmennetz wird von Experten auf rund 100 Firmen mit einem Wert von über 500 Millionen DM geschätzt. Es wurde zu DDR- Zeiten von Alexander Schalck-Golodkowskis Sonderbehörde „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) gemanagt. Die Aufklärung des SED/ KoKo-Vermögens wird nicht zuletzt durch den Streit darüber behindert, ob es sich dabei um ehemaliges DDR-Staats- oder SED-Parteieigentum handelt. Im ersten Falle wäre die Treuhandanstalt zuständig; die Millionen stünden dem Bundeshaushalt zu. Im zweiten Fall müßte die Unabhängige Parteien-Kommission über die gemeinnützige Verwendung der Gelder in den neuen Bundesländern befinden. Derweil sind vermutlich bereits Millionen von alten Seilschaften „privatisiert“ und auf Auslandskonten verschoben worden. Dies alles offenbar unter den Augen der Bundesregierung. Denn der Verfassungsschutz war stets auf dem laufenden: Als Regisseurin machten die Späher die Schalck-Vertraute „Traudl“ Lisowski aus. In Schalcks Untergrundimperium KoKo zuvor zuständig für die Abteilung „Parteifirmen“, sorgte sie sich nach der Wende unter Ministerpräsident Modrow gleich in zwei KoKo-Auffanggesellschaften um die eilige Umwandlung der SED-Firmen und -Millionen in Staatseigentum.