„Drogenhilfeplan fortschreiben“

■ Betr.: Verschiedene Reaktionen auf die Gastkolumne zur Drogenpolitik von Elke Steinhöfel in der taz vom 4.1.1992

Es bleibt zunächst festzuhalten: Das in Bremen entwickelte Drogenkonzept, der Bremer Drogenhilfeplan, erarbeitet vom Senat nach Vorgaben entsprechender Bürgerschaftsbeschlüsse, ist der bisher erfolgreichste Versuch in einer deutschen Großstadt, der Drogenherausforderung zu begegnen. Bestätigt wird diese These zum einen durch den innerstädtischen Vergleich. Wie war die Situation, insbesondere wie waren die Hilfsangebote für Junkies vor Inkrafttreten dieses Hilfeplans und wie sind sie jetzt? Bestätigt wird diese These auch durch einen Vergleich mit anderen Großstädten. Den Drogenhilfeplan fortzuschreiben, ist die vor uns liegende Aufgabe. Dabei ist zu fragen: Wo ist er nicht realisiert worden, obwohl richtig, wo ist er zu präzisieren, welche Anpassungen an eine veränderte Gesamtsituation sind vorzunehmen?

Da, wo die Entwicklung zu schweren Belastungen der Wohnbevölkerung geführt hat, sind unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die dies mindern. Konkret: Wer die Sorgen der Eltern kleiner Kinder, die auf Spielplätzen weggeworfene Spritzen, Präservative u.a. finden oder die sich auf dem Schulweg mit aggressiven Junkies auseinandersetzen müssen, wer diese Sorge nicht ernst nimmt, ist politisch blind oder menschlich kaltschnäuzig.

Nur: Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis bedeutet nicht Einstellung der Vergabe von Spritzen, Abschaffen der entsprechenden Automaten oder deren Verlagerung etwa in die Vahr oder nach Woltmershausen, wo sie nicht gebraucht werden. Nötig ist vielmehr, Maßnahmen zu treffen und zusätzliches Personal einzusetzen, um die begründeten Sorgen dieser Eltern auszuräumen. Bei Beibehaltung der Spritzenabgabe und besserer Entsorgung als bisher — die Zahl der Aids-Infizierten in Bremen ist vergleichsweise hoch — sowie der planvollen Erweiterung der Substitution mit Methadon, müssen die Chancen zum Ausstieg aus dem illegalen Drogenkonsum und damit aus Kriminalität und Prostitution nicht nur erhalten, sondern vergrößert werden.

Das Thema Substitution im Knast ist nachhaltig zu begleiten und die Frage nach Spritzen im Knast rechtlich wie ideologisch zu enttabuisieren und auf einen möglichen Hilfe- bzw. Aidsvermeidungseffekt hin sorgfältig zu bearbeiten. Desweiteren ist die Dezentralisierung, insbesondere sozialer Hilfs- und Beratungsangebote unverzüglich von der Papierform in die Realität zu übersetzen. Hier paßt nicht, daß die Drogenberatungsstelle in der Bauernstraße mit ihrem Café an einem x-beliebigen Montag dieses Jahres bereits ab 15 Uhr für Besucher die Pforten schließt!

Ein Besuch vor Ort ist immer nützlich, macht schlau. So u.a. bei den mit Drogenkranken befaßten Medizinern in der Bauernstraße und beim Hauptgesundheitsamt.

Auch diese Fachleute „vor Ort“ befürworten die Dezentralisierung von Beratungsangeboten. Sie sind jedoch genauso der Auffassung, daß ein nennenswerter Kern von Drogenabhängigen auch in Zukunft in „Mitte“ leben wird, weil sie dort „verwurzelt“ sind. Nicht zuletzt, weil die Struktur des Viertel dazu beiträgt, daß Junkies hier für sie wichtige spezifische soziale Kontakte finden. Übereinstimmung besteht weiter darin, daß im „Viertel“ immer ein Standort für weitergehende medizinische Hilfen und Untersuchungsmöglichkeiten für Drogenkranke sowie zur Beratung ihrer Angehörigen vorhanden sein muß.

Daß die Notfallversorgung in der Bauernstraße seit einem halben Jahr funktionsunfähig ist, ist ein Skandal. Da die Pläne des Hochbauamtes nunmehr vorliegen, ist das zuständige Amt gefordert, die Mittel und sei es durch vorübergehende Umschichtung im eigenen Haushalt freizumachen, damit dieser unsägliche Zustand ein Ende findet. So etwas ist auch in der öffentlichen Verwaltung, wenn man mit etwas „power“ oder auch nur schlichtem Pragmatismus an die Sache herangeht, möglich.

Und selbstverständlich wird der Staat da, wo Krankenkassen möglicherweise zunächst ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen, bei medizinisch notwendigen Hilfen einspringen. Es kann doch wohl nicht allen Ernstes vertreten werden, daß eine notwendige gesundheitliche Hilfe nur deshalb unterbleibt, weil der/die Betroffene außerstande ist, die Mittel dafür selbst aufzubringen. Elke Steinhöfel, SPD-Fraktion