Christdemokratische Teufelsanbetung

Mehr als 400 Delegierte feierten auf dem Landesparteitag der baden-württembergischen CDU Erwin Teufel/ Der Populist will Grundgesetzänderung beim Asyl und setzt auf die absolute Mehrheit  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Mannheim (taz) — Der christdemokratische Oberbürgermeister von Stuttgart und Ehrenbürger der ägyptischen Hauptstadt Kairo kennt seine Bibel und den Koran: „Alles, was wir vom Himmel wissen ist, daß sich dort die Guten aufhalten, während die Bösen in die Hölle oder ins Fegefeuer verwiesen werden“ — und dort wartet dann schon der Teufel. Der heißt mit Vornamen Erwin und ist der Ministerpräsident des Bundeslandes Baden-Württemberg und Vorsitzender der Union im Südwesten der Republik.

Als Rommel auf dem Landesparteitag am Sonnabend in Mannheim zeitgleich mit der Ausgabe der proletarischen Mittagsmahlzeit — Kartoffelsalat mit original schwäbischem Läberkäs — an die mehr als 400 Delegierten Religionsphilosophisches vortrug, war für die überwiegende Mehrheit der Christdemokraten dieser Parteitag im „Rosengarten“ schon „gegessen“. Mit „Raketen“ hatten sie ihren Teufel gefeiert, der vor dem braven Rommel knapp drei Stunden lang seinen sozialdemokratischen Kontrahenten Dieter Spöri mit diabolischer Freude — verbal — am Spieß gebraten hatte und mit Reminiszensen an die kochende Volksseele den Anspruch der CDU, eine Volkspartei zu sein, untermauerte: Es geht uns um die „große Mehrheit der ganz normalen Menschen, die pünktlich zur Arbeit gehen, ihre Steuern zahlen, sich an die Gesetze halten und ganz selbstverständlich Tag für Tag ihre Pflicht tun.“ Und weil Erwin Teufel glaubt, die „seelische Landschaft unseres Volkes“ überblicken zu können, weiß er, daß diesen Menschen vor allem das „Thema Asyl“ unter den Nägeln brennt. Der kantige Nachfolger von Lothar Späth klagte wiederholt eine Grundgesetzänderung ein, denn „wenn ganze Kontinente keine Perspektiven haben, wenn sie in Elend und Armut versinken, dann werden die Menschen in einer Zahl und mit einer Wucht an unsere Wohlstandstüren klopfen, daß uns Hören und Sehen vergeht“. Deshalb müsse die Verfassung umgehend den europäischen Verhältnissen angeglichen werden: „Europa braucht nach der Vollendung des Binnenmarktes und dem Wegfall der Grenzkontrollen ein einheitliches Asylrecht.“

Mit Blick auf Bonn geißelte Teufel Sozial- und Freidemokraten, die mit ihrer „Blockadepolitik“ die Hauptschuld an der Handlungsunfähigkeit des Staates zu tragen hätten. Daß sich Teufel in der vergangenen Woche mit seiner harten Linie auch bei den eigenen Parteifreunden in Bonn nicht durchsetzen konnte, war auf dem Wahlparteitag kein Thema. Der Bonner CDU-Fraktionschef und Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble und Ministerpräsident Teufel demonstrierten im Vorfeld der Landtagswahlen im Südwesten unionistische Einigkeit — auch wenn der Koalitionär Schäuble feststellen mußte, daß er weit mehr graue Haare als der alleinregierende Teufel hat. Und weil Teufel seine braunen Strähnen noch mindestens vier Jahre lang behalten will, setzt die Union im Südwesten auf Sieg: „Wir müssen aus eigener Kraft gewinnen, weil uns keine andere Partei hilft.“

Kein gutes Haar ließ Teufel danach an dem SPD-Spitzenkandidaten Dieter Spöri im besonderen und den Sozialdemokraten im allgemeinen. Die gesamte „Toscana-Fraktion“ der SPD — von Engholm über Schröder bis Lafontaine — lebe via Finanzausgleich von der ökonomischen Potenz Baden-Württembergs. So leiste sich Oskar Lafontaine einen Koch im Range eines Ministerialdirigenten — „bezahlt nach A 16 mit dem Geld aus Baden-Württemberg“. Die wahlkämpfenden Ministerpräsidenten der „rot-grün-gelben Kartelle der Handaufhalter und Leistungsempfänger“, so Teufel, könnten ohne den Länderfinanzausgleich noch nicht einmal ihre Fahrkarten für die Reise in den Südwesten bezahlen. Da war im Saal die nächste „Rakete“ fällig. Das Land der „Tüftler und Schaffer“ (Teufel) werde deshalb in Karlsruhe gegen die bestehende Finanzausgleichsregelung klagen: „Solidarität ist gut. Sich ausnutzen lassen ist Dummheit.“

Seinem Herausforderer Dieter Spöri, der vor drei Wochen auf dem Landesparteitag der SPD vor allem die „wirtschaftspolitische Inkompetenz“ der Späth-Nachfolgeregierung beklagt hatte, warf Teufel im Gegenzug „finanzpolitische Inkompetenz“ vor. Der durch die Finanzierung der Einheit Deutschlands ohnhin arg strapazierte Landeshaushalt würde — „bei Erfüllung aller SPD-Wahlversprechen“ — mit rund fünf Millarden DM belastet werden. In Baden-Württemberg, so Teufel selbstbewußt, gebe es die wenigsten Arbeitslosen in Deutschland, die höchsten Löhne und das höchste Sozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung: Alles Belege für den „Fleiß und die Schaffenskraft der Menschen und für eine vorausschauende Wirtschaftspolitik der CDU in diesem Lande“.

Draußen demonstrierten derweil Hunderte von fleißigen aber unterbezahlten Polizisten gegen Teufel und seine Landesregierung. Ihren Forderungen nach einer zweigeteilten Laufbahn im Polizeidienst und einer besseren Besoldung erteilte der Ministerpräsident eine klare Absage. Im „Land der Sparer“ seien Mehrausgaben in Höhe von 345 Millionen Mark unter den gegenwärtigen Haushalsbedingungen nicht angebracht. Einen „Himmel auf Erden für alle“ könne es schließlich auch in Baden Württemberg nicht geben — „weil sich erstens das Personal hierfür nicht eignet und weil zweitens zwischen Gott und den Politikern doch erhebliche Unterschiede bestehen“ (Rommel).