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Gysi nach Akteneinsicht erleichtert

■ IM-Vorlaufakte „Gregor“ war 1986 wegen mangelnder Eignung des Kandidaten geschlossen worden

Berlin (taz) — Nicht immer endet der Gang in die Stasi-Aktenbehörde mit einem Tiefschlag für den Betroffenen. Gregor Gysi beispielsweise fühlte sich nach der Akteneinsicht am vergangenen Freitag vom Vorwurf einer inoffiziellen Mitarbeit für den früheren DDR-Staatssicherheitsdienst entlastet. Aus Gysis sog. IM-Vorlaufakte geht hervor, daß die Stasi sich in den frühen 80er Jahren vergeblich um die Mitarbeit des Anwalts bemüht hatte. Nach dem erfolglosen Anwerbeversuch war Gysi sogar selbst Objekt einer „operativen Personenkontrolle“ geworden.

Der Verdacht einer Stasi-Mitarbeit gegen Gysi war aufgekommen, nachdem prominente Bürgerrechtler, die in den 80er Jahren von Gysi vertreten worden waren, vertrauliche Informationen aus dessen Kanzlei in ihren Stasi-Unterlagen entdeckt hatten. Als Informant geisterte ein IM „Notar“ durch die Akten. Zur Entlastung hatte Gysi nicht viel mehr vorweisen können als die Behauptung des ehemaligen MfS-Offiziers und Abteilungsleiters der Stasi-Abteilung XX/4, der bestritt, daß sich hinter der Bezeichnung IM „Notar“ eine Person verberge.

Aus der IM-Vorlaufakte „Gregor“ wird Gysi zwischen September 1980 und August 1986 als IM-Kandidat geführt. Über jeden IM gibt es eine solche Vorlauf-Akte, die nur dann in eine reguläre IM-Akte übernommen wird, wenn der Kandidat sich als tauglich im Sinne des MfS erweist. Bei Gysi aber schließt die Vorlauf-Akte mit dem Vermerk, er sei „zur Aufklärung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit nicht geeignet“. Und weiter: „...obwohl der Kandidat in der ersten Zeit der mit ihm geführten Gespräche Informationen übergab, war festzustellen, daß er an seiner Schweigepflicht als Rechtsanwalt festhält.“

Danach versuchte die Stasi mit einer „operativen Personen-Kontrolle“ unter der Bezeichnung „Sputnik“ herauszufinden, ob Gysi von Oppositionellen, mit denen er im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit Kontakt hatte, für deren „feindliche Ziele“ instrumentalisiert wurde.

Gysi erklärte nach der Akteneinsicht, ein Vertreter der Staatsanwaltschaft habe ihn Anfang der 80er Jahre um Informationen gebeten. Nachdem er sich auf seine Schweigepflicht berufen habe, sei der Kontakt abgebrochen worden.

So gewinnen Gysis Einlassungen, er habe nie mit der Stasi zusammengearbeitet, an Glaubwürdigkeit. Der Sachverhalt selbst jedoch, wie die Informationen aus der Kanzlei zur Stasi gelangten, ist nach wie vor ungeklärt. Die Behauptung von Wolfgang Reuter, IM „Notar“ sei keine Person, sondern ein „Vorgang“, ist nicht plausibler geworden. Eis

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