LehrerInnen werden sinnlich

■ Eine Woche „Wiederbelebungsversuche“ für kopflastige PädagogInnen

Der Deutschlehrer eröffnet mit einem Flic-Flac vor der Tafel die Stunde über Adverbialkonstruktionen. Die Physiklehrerin jongliert mit den Molekülkügelchen für das Atommodell. Und die Mathelehrerin, die bei Bremens Jazz-Hoffnung Sabine Mariß den Kurs „Atem-Stimme-Improvisation“ besucht hat, kann in der sechsten Stunde, wenn alle gähnend unter der Bank hängen, selbst Tote zum Leben erwecken. Das könnte bei der neuesten Pädagogischen Woche herauskommen.

Schultüten

Hoffnungen, leereF.: W.St.

In der Schule soll nicht nur sinnvoll, sondern auch mit allen Sinnen gelehrt und gelernt wer

In Reihen folgen! Zu Sport und gesundem Spaß! F.: M. Leupold

den, findet der Ausbildungspersonalrat (APR) der Bremer ReferendarInnen. Anläßlich der 10. Pädagogischen Woche hat der APR der Kopflastigkeit der Lehrerbildung den Kampf angesagt. Der ganze Menschen in der Pädagogin soll „wiederbelebt“ werden. Nicht mehr „Friedenserziehung in der Schule“ oder „Lehrerarbeitslosigkeit“ lautet das Thema, sondern „Wiederbelebungsversuche — Lernen mit allen Sinnen“.

Die meisten SchülerInnen würde es vermutlich freuen, wenn die Schule etwas lebendiger würde. Das allerdings müssen die LehrerInnen erstmal lernen, und das sieht dann so aus: Menschen in Gymnastikschuhen oder barfuß

Schüler

auf Sportplatz

rascheln mit einem Zeitungsblatt in der Hand hüpfend durch eine Turnhalle. Sie üben sich in „Rhythmischer Bewegungsimprovisation mit Alltagsgegenständen“. Zwei Türen weiter, in der Veranstaltung „Musik und Bewegung“, schreiten sie durch den Musikraum und lernen, ihren Körper als Klanginstrument einzusetzen. In weiteren Veranstaltungen werden die Schulfrauen und —männer in Akrobatik und Jonglieren unterwiesen.

Aber nicht nur Entertainement für die Videoclip-Generation ist gefragt, sondern auch das gekonnte Abschalten. Für seine Veranstaltung „Entspanntes Lernen“ konstatiert Jürgen Thal „ein zunehmendes Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung, nachdem die äußeren Bedingungen eher konträr dazu gestaltet sind. In der Schule sind Entspannungsübungen noch wenig verbreitet. Dabei können sie einen Beitrag zu einer gesunden Schule leisten.“

Wer sich warm und locker angezogen hatte, konnte am Montag „Mit allen Sinnen“ im Bürgerpark spazieren gehen, „die Bewegung erfühlen — das Riechen erfahren — das Hören entdecken...“. Maskenbauen, Steine behauen, Jazz-Dance, Theaterspielen und „kreatives Schreiben“ stehen weiter auf dem Programm, das noch bis einschließlich Donnerstag im Wissenschaftlicheen Institut für Schulpraxis am Weidedamm angeboten wird, gelegentlich auch kopflastige Reflektionen über Sinn und Unsinn der Referendarausbildung und die Verarbeitung des Golfkrieges an den Schulen.

Der APR wollte mit dem Appell an die Sinnlichkeit neue Wege beschreiten. Unpolitisch findet APR-Mitglied Tilman Groeneveld das Programm nicht. Die Einbeziehung aller Sinne in die Bewältigung des Schulalltags sei auch ein Beitrag zur „Ästhetik des Widerstandes“. Die Institution widersetzte sich allerdings auf ihre Art: Vielen sinnlich Aufgeschlossenen wurde durch Zeugniskonferenzen und Elternsprechtage die Teilnahme vereitelt. asp