Klage gegen Ausbau der Oberbaumbrücke

■ AL-Gutachter: Juristischer Einspruch von Anwohnern gegen vierspurigen Ausbau hätte »realistische Erfolgschancen«/ Vierfache Lärmbelastung unzumutbar/ Kippt damit das Konzept eines Innenstadtrings für den Autoverkehr?

Friedrichshain/Kreuzberg. Eine Klage gegen den geplanten Ausbau der Oberbaumbrücke hat Aussicht auf Erfolg. Zu diesem Ergebnis kommen die Rechtsanwälte Hartmut Gaßner und Wolfgang Siederer in einem Gutachten, das die Kreuzberger AL-Fraktion in Auftrag gegeben hatte. In ihrem Gutachten stellen die Anwälte die Lärmprobleme in den Vordergrund, die der vorgesehene Ausbau der Brücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain bringen würde. Denn unter immissionsschutzrechtlichen Aspekten sei diese Belastung »unzumutbar«.

Bei etwa 50.000 bis 60.000 Kraftfahrzeugen täglich erwarten Gaßner und Siederer einen Geräuschpegel von etwa 80 Dezibel (dB) in Brückennähe und entlang des östlichen Teils der Hochbahnstrecke in Kreuzberg. Damit würden die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzordnung um rund 20 dB überschritten, die in Wohngebieten tagsüber nur 59 dB zulasse. Laut Angabe der Anwälte entspricht das einer viermal höheren Lärmbelastung. Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz müssen schädliche Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete vermieden werden — »der Brückenausbau wäre ‘materiell‚ rechtswidrig«, stellen die AL- Gutachter fest. »Formell« rechtswidrig sei bereits, daß es kein Bebauungsplanverfahren geben soll.

Die Anwälte halten es für denkbar, die Brücke geringer zu dimensionieren oder ganz auf den Ausbau zu verzichten. Lärmschutzfenster könnten auf keinen Fall einen hinreichenden Ausgleich für die Lärmbelastung bieten, weil man Außenwohnbereiche wie Balkone in die sogenannte Zumutbarkeitsbetrachtung einbeziehen müsse.

Rechtlich noch gar nicht geklärt und »ganz heikel« ist nach den Worten der Kreuzberger AL-Fraktionsvorsitzenden Barbara Oesterheld die Frage, welche Konzentrationen an Autoabgasen die Brückenanwohner hinzunehmen haben. Würde der geplante Ausbau der Oberbaumbrücke gerichtlich gestoppt, würde damit auch das Konzept eines vollständigen Ringausbaus mit vier Autospuren hinfällig, glaubt die Fraktionsvorsitzende, weil — ähnlich wie am Sachsendamm — für die Blechkutscher in Kreuzberg ein »Nadelöhr« entstehen würde. Allenthalben erhobene Forderungen, die Brücke für die umweltfreundliche Straßenbahn zu öffnen, könnte Verkehrssenator Haase dann kaum ablehnen.

Sicherlich wäre es »schön, wenn man auf die Art und Weise die Straßenbahn in den Westteil der Stadt bekäme«, bekannte die Sprecherin des Bausenators. »Nach Beendigung der Frostperiode«, so die Sprecherin, soll mit den Ausbauarbeiten begonnen werden. Zunächst soll eine Abdichtung gegen Regen- und Kondenswasser eingebaut werden, damit der automobile Verkehr erst einmal auf zwei Spuren über die Brücke rollen kann. Bis Herbst kommenden Jahres soll die Sanierung der alten Brücke abgeschlossen sein.

Nach Redaktionsschluß wollten gestern AL-Vertreter, Bürgerinitiativen und die Gutachter beratschlagen, welchen Sinn es nun macht, den Klageweg zu beschreiten. Es gebe bereits Mieter, die klagen wollten, sagte Oesterheld der taz. Thomas Knauf