Schwulenreferent: Regierung konzeptionslos

■ Politik und Gesetzesinitiativen zögerlich

Konzeptlosigkeit bei Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Homosexuellen wirft Stefan Meinke, schwulenpolitischer Sprecher der niedersächsischen Grünen, der Landesregierung vor: Niedersachsen zeige bisher nicht den Willen, Verwaltungsvorschriften zu ändern, die schwule und lesbische Lebensgemeinschaften benachteiligen.

Als Beispiele nennt Meinke den fehlenden Rechtsanspruch von gleichgeschlechtlichen Paaren auf Sozialwohnungen, gemeinsame Sozialhilfeanträge oder Ortszuschläge. Ein weiterer Grund zur Kritik ist die schleppende Einrichtung eines Schwulenreferates im Sozialministerium. Obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart, habe Sozialminister Walter Hiller (SPD) erst nach energischem „Drängeln“ Initiative gezeigt. Noch 1992 soll eine entsprechende Planstelle eingerichtet werden. Das Referat soll einen Fonds verwalten und Rechtsvorschriften nach diskriminierenden Inhalten durchforsten.

SPD und Grüne verhandeln zur Zeit über die Änderung der niedersächsischen Verfassung. Dabei wollen beide Parteien, daß jegliche Diskriminierung wegen einer sexuellen Orientierung verboten wird. Neben der Gleichstellung von homosexuellen Paaren nennt Meinke die emanzipatorische Darstellung von Homosexualität an Schulen oder eine zielgerichtete Polizeiausbildung, um gegen Gewalt gegen Schwule vorzugehen. Hauptziel ist es, im engen Rahmen der Landesverfassung die Grundrechte festzuschreiben.

Während in diesem Bereich langsame Fortschritte zu verzeichnen sind, ist eine Streichungsinitiative zum § 175 im Bundesrat ins Stocken geraten. Die Änderung des „Schwulenparagraphen“, der in der alten BRD sexuelle Kontakte Erwachsener zu Jugendlichen unter 18 Jahren unter Strafe stellt, war im deutsch-deutschen Einigungsvertrag vereinbart worden. Für eine Streichung hatten sich von den norddeutschen Bundesländern Hamburg, Bremen und Niedersachsen ausgesprochen. An Stelle des § 175 soll eine einheitliche Schutzgrenze für Jugendliche unter 14 Jahren treten.

Zu Beginn des neuen Jahres beantragte das niedersächsische Frauenministerium eine erneute Anhörung. „Wir sind für die ersatzlose Streichung der § 175 und 182“, betont dabei Frauenministerin Waltraud Schoppe. Mit der Anhörung solle ein Diskussionsprozeß über mögliche Formulierungen in Gang kommen, „um zu verhindern, daß mit neuen gesetzlichen Regelungen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Jugendlichen eingeschränkt wird.“

Die von CDU und CSU regierten Länder haben ihrerseits Bemühungen verstärkt, die ersatzlose Streichung zu verhindern. cz