Flucht in Kirchen aus Angst vor Umverteilung

■ AsylbewerberInnen: bloß nicht in neue Länder

Seit fünf Monaten halten AsylbewerberInnen Kirchen in Schleswig-Holstein besetzt, weil sie nicht in die Ex-DDR „umverteilt“ werden wollen. Zwei Betroffene, ein Kurde und ein Mann aus Zaire, sowie einige ihrer „BetreuerInnen“ waren jetzt auf einer Informationsveranstaltung in Bremen. Eingeladen hatten die Initiative „500 Jahre Kolonialismus — 500 Jahre Widerstand“, der Dachverband Bremer Ausländergruppen und das Antirassismus-Büro.

Etwa 45 Asylbewerber halten sich gegenwärtig noch in der Schalom-Kirche in Norderstedt auf, berichtete der Kurde. Seit die Kirche nicht mehr für die Versorgung der Flüchtlinge aus Bulgarien, Jugoslawien, der Türkei, Zaire und Algerien aufkommt, gibt es ständig Engpässe. 300 Mark müssen täglich aufgebracht werden. Die beiden Männer klagten nicht nur über die materielle Not, sondern auch über den psychologischen Druck durch Mitglieder der Kirchengemeinde. Immer wieder würden Familien gedrängt, in Standorte in den neuen Bundesländern zu ziehen.

Das aber lehnt die Mehrheit der Kirchenbesetzer ab. Die Flüchtlinge berufen sich auf ihre Erfahrungen in Greifswald, wo sie im Oktober von 200 Hooligans in Empfang genommen worden waren. In der Ex-DDR seien Asylbewerber stärker isoliert als im Westen. Die Kontaktaufnahme mit Anwälten sei schwieriger, das Polizeinetz zu ihrem Schutz unzureichend und mit Solidarität aus der Bevölkerung kaum zu rechnen, so die beiden Männer. Aus diesen Gründen müßten alle alten Bundesländer, wie heute schon Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen, auf eine Umverteilung verzichten. Die Kirchenbesetzer fordern in einer gemeinsamen Erklärung die freie Wahl des Aufenthaltes für Asylbewerber. Die beiden Männer distanzierten sich ausdrücklich von Darstellungen in den Medien, die Flüchtlinge ließen sich von Autonomen für deren politische Ziele instrumentalisieren.

Ein Vertreter des Antirassismus-Büros erklärte, seitdem die SPD auf „rassistischen Populismus“ setze, habe sich die Umverteilungspraxis in Bremen drastisch verschärft. Die Unterbringung in Bunkern sei mit der Ampel-Regierung nicht mehr durchsetzbar. Deshalb würden die Asylsuchenden oft schon eine Woche nach Ankunft in Bremen in die Ex-DDR „umverteilt“. Von dort könnten sie ohne großen Widerstand in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, oft bevor sie Gelegenheit hatten, einen Anwalt aufzusuchen. asp