Gemeinsam lernen als Bremer Modell

■ Kooperation von geistig Behinderten und GrundschülerInnen hat sich bewährt

Als Henning Scherf vor gut zwei Jahren neuer Bildungssenator wurde, hatte er es gleich mit einem Protestbesuch von Eltern der Schule Augsburger Straße zu tun. Die hatten größte Bedenken gegen ein neues Projekt, das unter dem Stichwort „Kooperation von geistig behinderten Schülern mit Grundschülern“ geführt wurde. Gestern zog Scherf mit zwei Lehrerinnen Bilanz des Integrations-Versuchs, und einvernehmlich wurde resümiert: Keine Spur mehr von Protest, alles läuft prima.

An fünf Schulstandorten in Bremen und einem in Bremerhaven werden geistig behinderte und andere SchülerInnen in den Klassen 1-4 teilweise gemeinsam beschult, ein bundesweit einmaliges Bremer Modell. Damals wurde die sogenannte „Unterstufe“ der Schule für geistig Behinderte Kinder am Wandram aufgelöst.

Anders als in den sogenannten „Integrationsschulen“ findet der Unterricht teilweise in getrennten Gruppen und teilweise gemeinsam statt. Etwa die Hälfte der 24 Wochenstunden wird gemeinsam verbracht. Die LehrerInnen der behinderten Kinder und die der Grundschüler überlegen zusammen, wie der Stoff so aufzubereiten ist, daß für „ihre“ Kinder das richtige dabei ist. „Im Prinzip geht das in allen Unterrichtsstunden“, beschrieb eine Lehrerin die in den vergangenen Jahren gewonnenen Erfahrungen. Und inzwischen haben die LehrerInnen sich auch daran gewähnt, daß sie nicht mehr als EinzelkämpferInnen vor der Klasse stehen, sondern zu zweit, zu dritt oder sogar zu viert unterrichtet wird. „Zuerst gab es da Eifersucht“, gibt eine Lehrerin zu. Organisiert ist das Ganze so: Je eine Klasse der Schule für Geistigbehinderte mit sechs SchülerInnen kooperiert mit zwei Grundschulklaasen derselben Jahrgangsstufe. In den Grundschulklassen sind höchstens zwanzig SchülerInnen.

In den letzten beiden Jahren haben die LehrerInnen die Erfahrung gemacht, daß es immer mehr Kooperationsmöglichkeiten gibt, je älter die Kinder werden. Dies hat mit dazu geführt, daß inzwischen darüber nachgedacht wird, das Kooperationsmodell auch in der Orientierungsstufe fortzusetzen. Darüber soll unter anderem auf einer Wochenendtagung Anfang April beraten werden. Bildungssenator Scherf zumindest steht der Idee aufgeschlossen gegenüber, zumal die Ampel in der Koalitionsvereinbarung solche Projekte ausdrücklich unterstützt.

Die Sorge der Grundschuleltern, daß ein gemeinsames Lernen zulasten ihrer Kinder gehen könnte, scheint inzwischen vom Tisch zu sein. Eine Lehrerin: „Die Angst der Eltern, daß ihre Kinder weniger lernen, hat sich nicht bewahrheitet.“ hbk