■ AUS POLNISCHER SICHT
: Erziehung zum Haß

Die Goldene 1 ist eine Fernsehlotterie. Mit ihr wird viel Geld verdient. Angeblich kann man auch Geld gewinnen. Um aber das Geld zu verdienen, muß man werben — und zwar mit allen Mitteln. Die Werbung für die Goldene 1 verdiente nicht nur einen kleinen Kommentar, sondern mindestens einen Essay. Vielleicht sogar eine gesonderte gründliche soziologische Untersuchung. Derart, wie in den kurzen, zu Spitzenzeiten gesendeten Fernsehspots die deutsche Gesellschaft porträtiert wird, geschieht das kaum sonstwo. Die Bilder sprechen eine deutliche Sprache — doch scheint niemand es zu wagen, diese zu verbalisieren. Beispiel eins: Eine ältere Dame wird auf dem Flußufer auf eine völlig harmlose Weise von jungen Menschen aus einem Boot heraus angemacht. Sie reagiert zunächst nicht. Innerhalb weniger Sekunden aber fährt sie ein Luxusschnellboot, mit dem sie die Jungs ins Wasser bugsiert.

Beispiel zwei: Ein schrecklicher Nörgler und seine Ehefrau glotzen abendessend fern. Er hat immer etwas am Essen und an ihr auszusetzen. Sie notiert die Gewinnzahlen, und nachdem sich herausgestellt hat, daß sie richtig getippt hat, fragt er: »Was machen wir mit dem Geld?« »Wieso wir? Ich habe gewonnen!« antwortet die glückliche Dame. Beispiel drei: Ein Mann geht unaufgefordet und gegen die Warnung der Sekräterin ins Zimmer des Chefs und steckt diesem seine Kündigung in den Mund. Die deutsche Traumfabrik. Es geht aber weniger um Träume — auch wenn sie böse sind und ein wenig sadistisch. Es geht um das tatsächliche Leben dieser Menschen; um die, die mit dem Geld glauben sich befreien zu können: Die schüchterne Oma, die schon immer gerne den Jungs eins auf die Schnauze hauen wollte; die Ehefrau, die alles in Kauf nimmt, weil sie wirtschaftlich vom Ehemann abhängt; der Angestellte, der auf allen vieren in den Anus seines Chefs kriecht.

Haß! Haß als Überlebensstrategie, als Frustausgleich, als Antrieb. Wer tatsächlich verprügelt, erniedrigt, ausgegrenzt wird, sind aber nicht die Starken aus den Wunschträumen der Spieler (die meisten gewinnen leider eh nicht), sondern es sind die Schwächeren: Kinder, Ausländer, Frauen, Alte.

Das Reichwerdenwollen wird nicht nur mittels Goldener 1 zum Armutszeugnis in diesem Land. Piotr Olszowka