Kein Milieuschutz für Berliner Kieze

■ Die Stadtentwicklungsverwaltung will den Bezirken das Recht nehmen, Milieuschutzsatzungen aufzustellen/ Innenstadtbezirke wollen aber das Schutzinstrument für ihre Kieze behalten

Berlin. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will den Bezirksämtern die Zuständigkeit für die Aufstellung einer Milieuschutz- und Erhaltungsatzung wegnehmen. Dies geht aus einem Brief von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer an das Bezirskamt Tiergarten hervor, der der taz vorliegt. Wenn in einem Gebiet eine solche Satzung aufgestellt beziehungsweise festgesetzt wird, müssen alle baulichen Veränderungen vom Bezirksamt daraufhin geprüft werden, ob sie womöglich zu Mietsteigerungen führen und dann die Bewohner verdrängen. Wenn das der Fall ist, können Umbauten abgelehnt werden. Das betrifft Anträge auf Modernisierung, Nutzungsänderungen von Läden — etwa vom Tante-Emma-Laden zur Spielhalle — Anträge aus Zweckentfremdung oder Dachgeschoßausbauten.

Bislang hatten die Bezirke solche Satzungen eigenständig aufgestellt, von der Stadtentwicklungsverwaltung wurden sie dann später festgesetzt. Wenn jetzt die Senatsverwaltung das ganze Verfahren in die Hand bekommt, dann, so befürchtet Uli Hellweg von der Tiergartener Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N., werden künftig überhaupt keine solche Satzungen mehr aufgestellt werden. Denn die Stadtentwicklungsverwaltung stand solchen »investitionshemmenden Planungsinstrumenten« bisher eher kritisch gegenüber. Die inzwischen erfolgte Festsetzung einer Milieuschutzsatzung für den Tiergartener Stephankiez etwa konnte dem Senat erst nach langen Diskussionen und quasi in letzter Minute abgerungen werden.

Die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, Patricia Werner, wies auf Anfrage solche Befürchtungen zurück. Es sei dem Senat darum gegangen, das Verfahren zu vereinheitlichen, nicht aber, den Milieuschutz in Berlin durch die Hintertür abzuschaffen. Man wolle weiteren Milieuschutz in den Berliner Kiezen, den man aber als »letztes und schärfstes« Instrument begreife.

Die Stadtentwicklungsverwaltung wird schon bald Gelegenheit haben, ihre guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. So wird das Bezirksamt Kreuzberg demnächst eine Milieuschutzsatzung für das Gebiet um den Görlitzer Bahnhof aufstellen. Weitere Satzungen für den Kreuzberger Gräfekiez, das Scheunenviertel in Mitte und den Tiergartener Huttenkiez wurden bereits letztes Jahr aufgestellt und müssen noch in diesem Jahr vom Senator festgesetzt werden. Auch im Wedding plant das dortige Bezirksamt, in drei Gebieten solche Satzungen aufzustellen. esch