DIE FÜNFTE GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart

Dem Wiener-Autor Volker E. Zahn geht die neudeutsche Humorigkeit gegen den Strich: „Überall Scherzkekse, Witzbolde, Clowns, eine endlose Schnurrpfeiferei...„ — also 'Wiener‘-Autoren an jeder Ecke, in jeder Gameshow? — „...Ein Volk, ein Witz, ein Lacher.“ — das hält der Zahn-lose Schreiberling wahrscheinlich schon für einen Witz mit Biß, und schon geht es völlig durch mit ihm, vielleicht geht's noch etwas derber, so richtig zeitgeistmäßig eben: „Das Motto: Ab 5 Uhr 45 wird zurückgescherzt.“ Nun hat der gehirnkariöse Zeilenschinder zwar noch irgendwo aufgeschnappt, daß manchmal die eigentlich als Scherz gemeinten Rücksichtslosigkeiten „die eigentlichen Katastrophen“ seien — nur verstanden hat er's nicht mehr.

Auch der neue Chefredakteur dieses monatlichen Witzblattes, Dr. Kurt Weichler, nicht — er vermochte bisher weder diese unterirdischen Patzer noch andere Unsäglichkeiten des nicht zu Unrecht wenig erfolgreichen Titels zu tilgen. Im Gegenteil: Kuddel Weichler, der bisherige 'Prinz Hamburg‘-Chef, läßt jetzt bundesweit den alten Käse neu stinken: „Sex Junkies — Wenn die Lust zur Sucht wird“ (Autor: Marco Carini) ist die diesmonatige Fortsetzung eines bisher schon erfolglosen Rezepts. Aber vielleicht bin ich mit diesen ganzen Kinderillustrierten auch einfach zu streng.

Streng dagegen muß man mit jenen bunten Blättern sein, deren Auflage schon zu hoch ausfällt und deren Verbreitung mittels Lesemappen in Arztpraxen und Friseursalons noch größer gerät.

Die Neue Revue ist ein solches Schundblatt, dessen verheerende Wirkungen auf zahlreiche geistig Minderbemittelte keinesfalls unterschätzt werden sollten. Von denen wird kaum einer die Doppelmoral durchschauen, wenn einerseits, mit dem Brustton der Empörung, über die Zustände am Wohnungsmarkt geklagt wird („Sexopfer Mieterin — Gemeine Hausbesitzer erpressen Frauen, die eine Wohnung suchen!“) und andererseits das Blatt von vorn bis hinten mit Titten und Zoten durchsetzt ist — Motto: Die Weiber sind rundum verfügbar. „Aniko (21) aus Wien“ ist beispielsweise in dieser Woche „Das schöne Mädchen von nebenan“, das mal schnell textilfrei abgelichtet wird und auch sonst dem Manne es gerne hübsch macht: „Sie strampelt sich ab und lacht dabei auch noch: ,Die Radfahr-Übung strafft den Po!‘ Man sieht's!

Neben dem Schund am Kiosk gibt es noch eine Reihe von langweiligen Blättern, die man sich oft nur wegen eines einzigen gelungenen Artikels zu kaufen getraut. Bei der Zeit heißt dieser bestechende Kaufgrund oft Otto Köhler, jener verdiente Chronist der Geschichte der IG Farben, der auch zu anderen zeitgeschichtlichen Dingen, manchmal auch in 'Titanic‘, Spannendes, Empörendes und immer exzellent Recherchiertes auszubreiten weiß. Vor drei Wochen hatte Köhler den sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Kurt Biedenkopf vor der Flinte, wies dem Mann schlichten Rechtsbruch nach (als dieser dem ostdeutschen Rundfunksender DS Kultur einfach die Frequenzen wegnahm) und erklärte, zukünftig könne man Biedenkopf keinen Ehrenmann mehr nennen. Treffer versenkt. Biedenkopfs Leserbrief und Köhlers kurze Replik sind die Lektüre der Woche. Also lesen.

Steinbach gehässig: Manche halten Biedenkopf für einen klugen CDUler — ein Antagonismus. Biedenkopf versteckte seine Blödheit nur besser. Bisher.