„Vurt mit zeml oder strudl“

Touristendeutsch war in der Tschechoslowakei schon vor der Wende allgegenwärtig  ■ Aus Prag Sabine Herre

Wie oft ist mir das früher passiert: Ich wollte in einem der wenigen guten Prager Restaurants einen Tisch bestellen, versuchte es auf tschechisch und — erhielt eine Absage. Unternahm ich dagegen den gleichen Versuch auf deutsch waren fast immer noch Plätze frei. In der Mangelwirtschaft der real-sozialistischen Tschechoslowakei war die Sprache das Kriterium für Wohlstand und Reichtum, aus einem deutschen Gast konnten die Kellner einfach mehr „rausholen“.

Doch auch in den Zeiten des „freien Marktes“ ist Deutsch die den Tourismus beherrschende Sprache geblieben. In West- und Nordböhmen weisen — zum Ärger der Einheimischen — deutschsprachige Schilder mit der Aufschrift „Zimmer frei“ die ständig wachsende Zahl von Prag-Reisenden auf billige Unterkünfte hin, Straßenhändler werben für „heißen Kaffee“ und „vurt mit zeml“ (Wurst mit Semmel).

Bei diesen letzen beiden Worten ist allerdings schon nicht mehr klar, ob es sich um tschechische oder deutsche Bezeichnungen handelt. Denn die langen Jahrhunderte des deutsch- tschechischen Zusammenlebens in Böhmen sind natürlich auch an den Sprachen nicht spurlos vorbeigegegangen.

Zu einem wahrlich mitteleuropäischen Begriff ist durch die Herrschaft der Habsburger so zum Beispiel der „Strudel“ (tschechisch: strdl) geworden. Und schließlich hat das „Protektorat Böhmen und Mähren“ in der tschechischen Sprache seine Spuren hinterlassen. Obwohl das Tschechische eigene Worte für „Lager“ oder „Blitzkrieg“ kennt, werden häufig die deutschen Ausdrücke verwandt.

Aber auch in anderen Bereichen spielt die deutsche Sprache in der CSFR eine immer größere Rolle. Da Tschechen und Slowaken in ihrer Schulzeit meist nur Russischunterricht hatten, begann mit der politischen Wende die Konjunktur der Sprachschulen. An jeder Straßenbahnhaltestelle hängen Flugblätter, in denen Deutsch-, Englisch- und Italienischkurse angeboten werden.

Und so lernen sie nun alle: Busfahrerin und Tankwart, Bankangestellte, Kindergärtnerin und Sekretär... Sie hoffen damit ihre beruflichen Zukunftschancen entscheidend verbessern zu können. Womit sie natürlich recht haben. In den führenden Tageszeitungen nehmen deutsch- und englischsprachige Stellenanzeigen zu, die für das Erlernen der grundlegenden Prinzipien des neuen Wirtschaftssystems notwendigen Bücher sind bisher mit wenigen Ausnahmen nicht auf tschechisch erschienen.

Vor die Frage gestellt, ob es sinnvoller sei, Deutsch oder Englisch zu lernen, entscheiden sich viele für die erste Möglichkeit. Sicher, Englisch gilt als die Weltsprache, doch Deutsch ist die Sprache des Nachbarlandes, dessen Kapital in der CSFR auf dem Vormarsch ist. Aussichtsreiche Posten locken bei VW, Siemens und Mercedes, die Zahl der in Bayern arbeitenden tschechischen Pendler nimmt zu. Auch wenn die Tschechen die deutsche Sprache nicht gerade schön finden, es gibt genügend Gründe, sie zu erlernen.