INTERVIEW
: Die Aserbaidschaner benötigen dringend Hilfe aus der Türkei

■ Der aserbaidschanische Außenminister Huseyin Aga Sadikow wirft den Armeniern vor, schuld an den Spannungen in Berg-Karabach zu haben/ Mit der Türkei will er eng zusammenarbeiten, deswegen wird das lateinische Alphabet eingeführt und ein Kulturaustausch in Gang gesetzt

Das Interview wurde vor einem Treffen des Außenministers mit seinem armenischen Kollegen geführt. Sie kündigten danach die Entsendung von drei Delegationen nach Berg-Karabach an: aus den USA, von der EG und der KSZE. Unterdessen hat die Türkei Berichte über Waffenlieferungen an Aserbaidschan kategorisch dementiert. Der stellvertrenden Sprecher des türkischen Aussenministeriums, Ferhat Ataman, sagte am Montag abend in Istanbul auf Anfrage, solche Berichte seien völlig haltlos. Die Türkei stehe auf dem Standpunkt, daß kKonflikte zwis wie der zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach nur mit friedliche n Mitteln druch Dialog gelöst werden müßten, sagte Ataman. Deshalb werde die Türkei nie etwas unternehmen, daß die gefahr von bewafneten Auseinandersetzungen vergrößern könnte. Es sei aber kein Geheimnis, daß Aserbaidschan die Türkei um Hilfe bei der Schließung von Ausbildungslücken gebeten habe.

taz: In Berg-Karabach herrschen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern bürgerkriegsähnliche Zustände. Menschen sterben. Was hindert Sie daran, hier in Istanbul mit ihrem armenischen Amtskollegen zusammenzukommen und über den Konflikt zu reden?

Sadikow: Die Armenier behaupten, daß sie einem Dialog offen sind. Aber sie halten ihr Versprechen nicht ein. Ihre Bedingung für einen Dialog ist, daß Berg-Karabach Armenien zugeschlagen wird, während wir einen Dialog zwischen Armenien und Aserbaidschan wollen. Berg-Karabach gehört zu Aserbaidschan. Darüber wollen wir nicht mit Armenien verhandeln. Erst jüngst haben armenische Militante einen unserer Helikopter abgeschossen.

Im Rahmen der ehemaligen Sowjetunion hatte Berg-Karabach mit seiner gemischten ethnischen Population einen autonomen Status in der Republik Aserbaidschan. Hat die Aufhebung des autonomen Status und die Angliederung an Aserbaidschan nicht dazu beigetragen, daß die Konflikte verschärft wurden?

Über 200.000 Aserbaidschaner haben in der Republik Armenien gelebt. Sie hatten keinen Status der Autonomie. Sie sind vertrieben worden und leben nicht mehr dort. Demgegenüber leben über 150.000 Armenier in Aserbaidschan. Es muß über all diese Probleme geredet werden. Der armenische Staat spielte eine entscheidende Rolle bei den Provokationen in Berg-Karabach. Heimlich schickt er Waffen nach Karabach. Falls Armenien die Terroristen nicht bewaffnen würde, würde wir Frieden haben. Wenn die Armenier sich auch beteiligen, so ist das ihre Sache.

Sie haben recht große Erwartungen an die Türkei?

Die Türkei ist der Nachbarstaat, der uns am nächsten steht. Es rührt von der gemeinsamen Sprache und der gemeinsamen Religion. Aserbaidschan und die Türkei sind Äste des gleichen Baumes. Erst jüngst war der aserbaidschanische Staatspräsident auf Staatsbesuch in der Türkei, um einen Freundschaftsvertrag zu unterzeichnen. Die Erfahrungen der Türkei im wirtschaftlichen Bereich, in der Demokratisierung sind für uns von großem Wert.

Der Beschluß des aserbaidschanischen Parlamentes, die lateinische Schrift anzunehmen, wird die Beziehungen zur Türkei sehr erleichtern. In Aserbaidschan und der Türkei wird dann nicht nur dieselbe Sprache gesprochen, sondern auch geschrieben.

Wie Sie wissen, haben wir ja schon vor der Türkei das lateinische Alphabet angenommen, im Jahr 1926. In der Türkei wurde das lateinische Alphabet zwei Jahre später angenommen. Leider erfolgte 1940 dann der Übergang zum kyrillischen Alphabet. Der erneute Übergang zum lateinischen Alphabet ist nicht einfach. Wir benötigen die Hilfe der Türkei, was Personal und Druckereien anbetrifft. Der Übergang zum lateinischen Alphabet kann nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen. Doch unsere Entscheidung ist endgültig, und wir werden auf diesem Weg voranschreiten. Es muß einen umfassenden Kulturaustausch zwischen der Türkei und Aserbaidschan geben. Studenten aus Aserbaidschan sollen türkische Universitäten besuchen. In Kürze wird ein Abkommen zur Ausbildung aserbaidschanischer Studenten in der Türkei unterzeichnet werden.