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Bulgarisches AKW Kosloduj auf dem Weg zu Störfall-Weltrekord

Berlin (taz) — Die SPD-Bundestagsabgeordnete Sigrun Klemmer hat auf einer Bulgarienreise letzte Woche den Eindruck gewonnen, „daß die Atomleute in Bulgarien alles daran setzten, die Katastrophenreaktoren von Kosloduj weiterzubetreiben“. Selbst der bulgarische Umweltminister Valentin Vassilev habe über die heimische „Atommafia“ geklagt, die ihm das Leben schwer mache.

Dabei ist das bulgarische Atomkraftwerk Kosloduj unaufhaltsam auf dem Weg, Störfallweltmeister zu werden. Viermal mußte allein in den vergangenen zwei Wochen einer der Reaktoren abgeschaltet werden. Beim schlimmsten Störfall war es sogar zu einem Brand im Schaltzentrum eines der Himmelfahrtsreaktoren gekommen. Feuertüren und ähnliche Sicherheitsmaßnahmen existieren in den 440 Megawatt-Meilern nicht. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang von Geldern warnte Anfang der Woche, es könne dort jederzeit zu einer Katastrophe kommen.

Die beiden ältesten Meiler in Kosloduj liegen auf Intervention der Bundesregierung zwar derzeit still, die Reaktorbetreiber „wollen die Blocks aber schon im Herbst wieder in Betrieb nehmen“, hat Klemmer erfahren. Auch die „westeuropäische Atommafia wird alles daran setzen, diese alten Schüsseln wieder aufzurüsten“. Das rechne sich zwar ökonomisch nicht, aber wer Geld und Know-how gebe, bestimme auch hier die Musik, so die SPD-Frau.

Klemmer beklagte, daß es keine westliche Hilfe für konventionelle Stromerzeugung in Bulgarien gebe. Nach wie vor wird in Bonn nur von der Ausarbeitung von Alternativen geredet. Bei konkreten Anfragen um konventionelle Hilfe haben sich die Bulgaren dagegen bislang nur Absagen eingehandelt.

Dabei herrscht in Sofia auch in diesem Winter wieder das Stromregime. Schon zum sechsten Mal wird derzeit der Strom zeitweise abgeschaltet. Alle drei Stunden gab es gestern für eine Stunde keinen Saft, erfuhr die taz aus Sofia. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, der derzeit in Sofia weilt, wird sich mit seiner Begleitung sehr genau überlegen müssen, wann er Essen geht. Andernfalls gibt es nur kalte Küche. ten

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