Farbige ändern Südafrikas Parteien

Die Nationale Partei sucht eine multirassische Zukunft im reformierten Apartheidstaat/ Geheimdienst machte unter Mischlingen gezielt Propaganda gegen den ANC  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Mit erhobenen Fäusten stimmten sie letzten Freitag das Gospellied „We shall overcome!“ an. Rufe von „Amandla!“ (Macht!) und „Der Kampf dauert an!“ hallten durch die ehrwürdigen Gänge des Parlaments in Kapstadt. Dann verließen Alan Hendrickse, Führer der Arbeiterpartei (LP), und seine 39 Abgeordneten die Parlamentskammer für Mischlinge. Aber es war eine reine Trotzhandlung. Nach acht Jahren waren Hendrickse und die LP von der Nationalen Partei (NP), der Regierungspartei der Weißen, in einem Mißtrauensvotum gestürzt worden.

Die NP hat damit einen entscheidenden Sieg errungen. Zwar können die beiden Kammern für Mischlinge und Inder im Dreikammer-Parlament effektiv durch die weiße Kammer überstimmt werden. Aber die LP hatte wiederholt Gesetzesvorhaben der NP abgelehnt und dadurch peinliche Verzögerungen verursacht. Jetzt kann Präsident Frederik de Klerk mit einem auf ganzer Linie gefügigen Parlament rechnen. Hendrickse warf de Klerk vor, Parlamentarier „eingekauft“ zu haben. Tatsächlich sind alle NP-Abgeordneten in der Kammer für Mischlinge ehemalige LP-Mitglieder, die im Laufe des letzten Jahres übergelaufen sind. Aber Jac Rabie, der jetzt für die NP die Mischlingskammer leitet, begründet sein Überlaufen mit den politischen Veränderungen. „Die NP ist zweifellos zur politischen Heimat aller Realisten in Südafrika geworden“, meint Rabie. Seit de Klerk die Apartheid abgeschafft habe, sei es „fast eine Dummheit“, gegen die NP zu sein.

Seit Beginn des Reformprozesses ist zwischen der NP und dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) ein heftiger politischer Kampf um Einfluß unter Farbigen im ganzen Land entbrannt. Die NP plant, als vielrassische Partei auch in einem Südafrika ohne Apartheid entscheidenden Einfluß zu haben. Viele Mischlinge teilen mit den Weißen die Angst vor einer Machtübernahme der Schwarzen und des ANC. Sie gelten für die NP deshalb als „natürliche Verbündete“.

Enthüllungen in der Presse haben in den letzten Wochen gezeigt, daß der militärische Nachrichtendienst jahrelang unter Mischlingen gezielt Propaganda gegen den ANC gemacht hat. „Unter dem ANC gibt es für den braunen Mann keine Zukunft“, meint Bertie Jansen, NP- Vorsitzender in Eden Park, einem Wohngebiet für Mischlinge östlich von Johannesburg. „Der ANC hat gesagt, daß wir Verräter sind, weil wir uns am Dreikammer-Parlament beteiligt haben, und daß sie sich rächen werden.“

Jansen war einer der farbigen Abgeordneten, die letzten November erstmals an einem NP-Parteikongreß in Pretoria teilnahmen. „Unsere Zukunft liegt bei der NP“, sagt er. „Wenn der ANC an die Macht kommt, wird es Anarchie geben.“

Der ANC hat die minimale Unterstützung für die Organisation unter Weißen, Mischlingen und Indern seinerseits als ein besonders wichtiges Problem identifiziert. Der ANC müsse „Wege finden, um diese Gemeinschaften enger an den ANC zu binden“, beschloß der ANC-Kongreß letztes Jahr. Unter Mischlingen soll vor allem Allan Boesak eine Schlüsselrolle spielen. Der feurige Redner und langjährige Führer ANC-naher Antiapartheidgruppen ist inzwischen zum ANC-Vorsitzenden in der westlichen Kapprovinz avanciert. Aber Boesak ist im ANC umstritten, denn als reformierter Pastor kritisiert er die Zusammenarbeit des ANC mit der kommunistischen Partei.

Damit kommt Boesak bei vielen Mischlingen gut an. Aber wenn der ANC die Zahl seiner Anhänger unter Mischlingen vergrößern will, muß er auch die psychologischen Folgen von vier Jahrzehnten Apartheid überwinden. „Wir sind die Leute in der Mitte, wir sind nicht weiß, wir sind nicht schwarz“, sagt Anne Adams aus Eden Park. „Wir schlagen uns lieber auf die Seite der Weißen. Wir wollen nicht von Schwarzen regiert werden. Die Schwarzen können nicht unabhängig denken.“