Palästinenser unter Folter gestorben

In den besetzten Gebieten sind schwere Mißhandlungen von Gefangenen durch den israelischen Geheimdienst und die Militärs nicht selten/ Auch „subtile“ Foltermethoden werden angewandt  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

In einem Verhörzentrum des israelischen Geheimdienstes (Shin Bet) in Hebron starb vorgestern der 33jährige Mustafa Akawi, ein Palästinenser aus Ost-Jerusalem. Das israelische Fernsehen teilte mit, daß der am 22.Januar verhaftete Palästinenser am Tag vor seinem Tod vor den Militärrichter geführt wurde, der seine Haft verlängern sollte. Bei dieser Gelegenheit zeigte der Häftling dem Richter frische Wunden und berichtete, er sei gefoltert worden. Obwohl der Richter daraufhin eine ärztliche Untersuchung anordnete, verlängerte er Akawis Haft um weitere acht Tage. Seine Verteidigerin, die israelische Rechtsanwältin Lea Tsemel, die keinerlei Kontakt mit Akawi aufnehmen durfte, hatte am gleichen Tag beim Obersten Gericht in Jerusalem Beschwerde gegen die Mißhandlung ihres Klienten eingelegt.

Akawis Familie verlangte vorgestern, daß die Obduktion des Toten in Anwesenheit eines „neutralen“ ausländischen Pathologen erfolgt, wofür das Jerusalemer „Komitee gegen Folter“ Sorge tragen will.

Nach den geltenden Bestimmungen hätte Akawis Vernehmung nicht in Hebron, sondern an seinem Wohnort in Ost-Jerusalem erfolgen müssen. Da sein Tod in den Räumen des Shin Bet eintrat, kann nur der Geheimdienst, nicht aber der Militärsprecher zu der Angelegenheit Stellung nehmen. Die Familie betont, daß Akawi vollkommen gesund gewesen sei, als er wegen des Verdachts auf Zugehörigkeit in der PLO-Organisation „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) verhaftet wurde.

Schon früher hat es sowohl im Gaza-Streifen als auch in der Westbank in den Gefängnissen des Shin Bet Tote gegeben. Im März 1991 veröffentlichte die israelische Menschenrechtsorganisation Bet'sellem einen detaillierten Bericht über 41 Fälle, in denen Palästinenser aus den besetzten Gebieten in abgelegenen Räumen des Geheimdienstes schwer gefoltert wurden. In dem Bericht werden elf gängige „Verhörmethoden“ beschrieben: zum Beispiel die „Bananenfesselung“, bei der die Person mit den Füßen an den vorderen Beinen eines Stuhls, mit den Handgelenken an die hinteren Beine des Stuhls gefesselt wird. Der Körper des Häftlings wird so nach hinten gebogen und ist den Schlägen der Folterer hilflos ausgeliefert. In sechs Fällen wurde die Leidensgeschichte der Betroffenen dokumentiert. Einige von ihnen wurden bis zu 45 Tage unter Folter verhört. Alle wurden so schlimm zugerichtet, daß sie während längerer Krankenhausaufenthalte behandelt werden mußten.

Es werden auch „subtilere“ Methoden angewandt, die keine Spuren an den Körpern der Gefangenen hinterlassen. Der Rechtsanwalt Raji Sourani, Vorsitzender der „Gesellschaft für Menschenrechte“ im Gaza-Streifen, beschreibt in einem Interview mit der Zeitschrift 'Challenge‘, wie er im Gefängnis von Gaza mißhandelt wurde. Zusammen mit ungefähr dreißig anderen Palästinensern mußte er zwischen den Verhören im verdunkelten Korridor des Gefängnisses viele Tage und Nächte an den Händen gefesselt und im Stehen verbringen. Sie hätten jegliches Zeitgefühl verloren. Lediglich zweimal am Tag durften sie zur Toilette gehen, essen mußten sie stets in kürzester Zeit und ebenfalls im Stehen. Sprechen war verboten. Hinsetzen durfte man sich erst nach einem „Geständnis“. Oft wird der Druck zusätzlich durch Nahrungsentzug und Verweigerung des Toilettengangs verstärkt. Hier wird niemand geschlagen, weil es nicht erforderlich ist. Der psychische und physische Druck bringt fast jeden zum Zusammenbrechen.