Die Doppelmoral der IG-Metall-Männer

■ Mitarbeiter der IG-Metall-Verwaltungsstelle soll keine Kündigung erhalten, obwohl er Kollegin sexuell genötigt haben soll/ Frauenausschüsse empört

Berlin. Eine seit Wochen innerhalb der IG Metall um sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz geführte Diskussion schlägt inzwischen hohe Wellen innerhalb der Berliner Gewerkschaften. Wie die taz berichtete, soll ein Mitarbeiter des politischen Bereiches in der IG-Metall-Verwaltungsstelle eine Kollegin Anfang Dezember im Auto gewürgt und gezwungen haben, ihn sexuell zu befriedigen. Der Mann selbst bestreitet die Vorwürfe. Doch die Glaubwürdigkeit der Frau wird betriebsintern nicht in Zweifel gezogen.

Dennoch entschied die Ortsverwaltung jetzt, ihn nicht zu kündigen, sondern zu versetzen. Dieses Verfahren, das den mutmaßlichen Täter womöglich sogar noch die Karriereleiter hochfallen lassen würde, hat bei Mitgliedern des Frauenausschusses der Ortsverwaltung helle Empörung ausgelöst. Auch andere Frauenausschüsse des DGB und der ÖTV haben sich inzwischen mündlich mit der Forderung der IG-Metall-Frauen solidarisiert, dem Mann zu kündigen.

Zu einer Sitzung der Ortsverwaltung am letzten Dienstag, auf der über das weitere Vorgehen entschieden werden sollte, wurde sogar extra der höchste Arbeitsrechtsexperte der IG Metall, Rechtsanwalt Michael Kittner aus Frankfurt, eingeflogen. Kittner wie auch andere Männer, berichtete ein Informant der taz, hätten betont, eine Kündigung sei der falsche Schritt. Die Vorwürfe könnten richtig sein, man könne aber auch gänzlich falsch liegen.

Man müsse im Zweifel für den Angeklagten entscheiden. Eine große Mehrheit habe sich am Ende für eine Versetzung — womöglich in die Bezirksleitung oder den Vorstand — ausgesprochen, außerdem solle der derzeit beurlaubte Mann ein Rückkehrrecht in die Verwaltungsstelle erhalten. Weiterhin solle eine offizielle Pressemitteilung herausgegeben werden, in der die Versetzung bekanntgegeben werde. Der Informant wertete dies als »eindeutiges Zeichen, daß die Sache unter dem Deckel gehalten werden soll«. Daß die IG Metall in ihrem Programm sich dem Kampf gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verschrieben hat, macht die Sache allerdings zum Politikum.

Die Pressemitteilung ist zwei Tage nach der Ortsverwaltungssitzung jedoch immer noch nicht bei der taz gelandet. Eine offizielle Stellungnahme war nicht zu erhalten: Manfred Foede, Erster Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle und derzeit auch kommissarischer Pressesprecher, war nicht erreichbar. usche