Dialog in Sicht

■ Die neuesten ETA-Attentate gehen einem Waffenstillstand voraus

Dialog in Sicht Die neuesten ETA-Attentate gehen einem Waffenstillstand voraus

Das Jahr 1992 ist in Spanien nicht nur das Jahr der Olympiade, der Weltausstellung und — ganz am Rande — der Kulturhauptstadt Europas, sondern auch das, in dem die Lösung des baskischen Problems, sprich ETA, ein ganzes Stück näherrücken muß. Sowohl die spanische Regierung als auch die ETA selbst starren seit Jahren schon gebannt auf dieses Datum. Die Regierung, weil selbst die 36.000 Sicherheitskräfte, die sie allein zu den Olympischen Spielen aufbieten wird, vor keiner Autobombe sicher schützen. Die ETA, weil nach Beendigung dieser Mammutereignisse die vorerst letzte große Chance vertan sein wird, die Regierung wirksam unter Druck zu setzen. Beide Seiten sind folglich zur Zeit hochgradig an Verhandlungen interessiert.

Die Anschlagsserie der ETA seit Beginn des Jahres ist insofern als ein Versuch anzusehen, trotz der ständigen Festnahmen und Auflösungen von Kommandos eine Position der Stärke zu beziehen — das große Ereignis der Verhandlungen wirft buchstäblich seine Schatten voraus. Die Aktionen der Polizei nehmen sich gegenüber den Toten der ETA mager aus. Dennoch wird die ETA von einer Schwächeposition aus in die Verhandlungen gehen. Zahlreiche Mitglieder sind inzwischen inhaftiert worden, wichtige Infrastruktur wurde aufgedeckt. Die Vorteile, die sie während des Dialogs 1988 mit Regierungsmitgliedern in Algerien genoß, hat die ETA verspielt. Die politischen Parteien, die damals weitgehend umgangen worden waren, werden jetzt vor jedem einzelnen Schritt konsultiert werden müssen. Auch der politische Verhandlungsspielraum hat sich eingeengt — einem zweiten Treffen geht man immer gewappneter entgegen als dem ersten.

Die wichtigste Veränderung im Vergleich zu 1988 ist jedoch die wachsende Ablehnung der Anschläge seitens der Basken selbst. Der Tod von Kindern und die abgerissenen Beine der Elfjährigen im vergangenen Jahr haben die Öffentlichkeit zunehmend sensibilisiert. Nach jedem Attentat stehen heute Hunderte Basken schweigend auf öffentlichen Plätzen, um zu protestieren. Mehr als hunderttausend Demonstranten gingen am vergangenen Samstag in Bilbao gegen die ETA auf die Straße. Die ETA, die im Baskenland wie der Fisch im Wasser schwamm, droht im Trockenen zu zappeln. Der nächste Waffenstillstand kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Antje Bauer