Bundeswehr will weltweit operieren

Die Spitze der Bundeswehr hat in einem Papier an den Verteidigungsausschuß des Bundestages die Rolle der Armee nach dem Kalten Krieg beschrieben/ Bisherige Beschränkungen sollen fallen  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Entgegen der geltenden Verfassungslage betreibt das Bundesverteidigungsministerium die Ausdehnung der Bundeswehrrolle auf „out of area“-Einsätze. In offizieller Form sind die bislang weitgehend internen Planungen der Hardthöhe erstmals in einem Grundlagenpapier zusammengefaßt, das dem Verteidigungsausschuß des Bundestages zugeleitet wurde. Auf der Ausschußsitzung am kommenden Mittwoch dürften nicht nur Abgeordnete von Bündnis 90/Grüne und der SPD, sondern auch Mitglieder der FDP-Fraktion erhebliche Vorbehalte anmelden. Die Katholische Friedensbewegung Pax Christi warf Verteidigungsminister Stoltenberg wegen der bereits begonnenen Umsetzung der neuen Doktrin Verfassungsbruch vor.

Das elfseitige Dokument mit dem Titel „Militärpolitische und militärstrategische Grundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestaltung der Bundeswehr“ liegt den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses seit dem 20. Januar vor. Als deutsche Sicherheitsinteressen, zu deren Bewahrung die Bundeswehr künftig eingesetzt werden soll, definiert die Hardthöhe darin unter anderem „die Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung von Konflikten jeglicher Art, die die Unversehrtheit und Stabilität Deutschlands beeinträchtigen könnten“, die „Förderung und Absicherung weltweiter politischer, wirtschaftlicher, militärischer und ökologischer Stabilität“ sowie die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen“. Gefahren drohten Deutschland schon heute namentlich aus Nordafrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten.

Nach den Vorstellungen der Hardthöhe soll die Bundeswehr künftig „nach klarstellender Ergänzung des Grundgesetzes an kollektiven Einsätzen über die Nato hinaus im Rahmen der Charta der UNO (kapitel VII)“ teilnehmen. Diesem in dem Paier mehrfach wiederholten Passus ist lediglich in einem Fall die Bedingung hinzugefügt, „soweit es deutsche Interessen und deutsche Mitverantwortung von Frieden, Humanität und internationaler Sicherheit gebieten“.

Vor allem mit Blick auf die Passagen zu „out of area“-Einsätzen der Bundeswehr nannte der SPD-Sicherheitspolitiker Karsten Voigt gegenüber der taz die Vorlage des Papiers durch Minister Stoltenberg eine „schwere Mißachtung des Parlaments“. Es sei „völlig unakzeptabel, daß die Hardthöhe derartige Planungen“ betreibe, mit deren „operativer Umsetzung Generalinspekteur Naumann zudem bereits begonnen habe“, bevor der Bundestag mit einer Grundgesetzänderung eine Basis für diese Planungen geschaffen habe. Die Bundesregierung habe „bislang noch nicht einmal einen Vorschlag für eine Grundgesetzänderung vorgelegt“. Ähnliche Vorbehalte wollen auch Abgeordnete des Koalitionspartners FDP bei der Sitzung des Verteidigungsausschusses am kommenden Mittwoch einbringen.

Das Präsidium der Katholischen Friedensbewegung Pax Christi warf Stoltenberg in einer Erklärung vor, mit dem Grundlagenpapier handele der Bundesminister „nicht mehr auf der Basis des Grundgesetzes“. Mit der Bundeswehr solle künftig „der Zustand weltweiter wirtschaftlicher und politischer Ungerechtigkeit durch militärische Drohungen festgeschrieben werden“. Die demokratischen Entscheidungsgremien in der Bundesrepublik seien aufgefordert, „die Bundeswehr in ihre verfassungsmäßigen Schranken zu weisen“. Pax Christi wendet sich auch gegen die in dem Papier erkannte Absicht der Hardthöhe, „gegen alle Kritiker einer solchen neuen Militarisierung der Politik mit ihren eigenen Mitteln und auf eigene Initiative hin vorzugehen“.

Festhalten will die Bundeswehr auch an der Teilhabe an Atomwaffen. Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehörten „die Erhaltung des nuklearen Schutzes und Einflußnahme auf Entscheidungen der Nuklearmächte“. Dies schließe „auch die Bereitschaft zur Risikoteilung“ ein.

In dem Grundlagenpapier werden mehrfach auch die „hoheitlichen Aufgaben“ der Bundeswehr als „Teil der Staatsgewalt“ betont. Diese Formulierung bezieht sich nicht nur auf die der Bundeswehr zugedachte Rolle im Falle eines auf Basis von Artikel 87a des Grundgesetzes ausgerufenen Notstandes. Gedacht ist vielmehr an eine Ausweitung der Luftwaffenhoheit auf das gesamte Territorium der BRD und angrenzende Gewässer nicht nur für militärische Zwecke im engeren Sinne, sondern auch in Katastrophenfällen und zur Überwachung von Öko-Sündern.