Zu kurz gekommen

■ Keine Förderung der multikulturellen Medien in Sicht

Berlin. Der Medienstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg liegt verabschiedungsreif vor, ohne daß die in diesem Gesetz potentiell Betroffenen, vor allem die sogenannten Minderheiten, von dieser Neuordnung der Medienlandschaft Kenntnis bekommen, geschweige denn dazu vorher gefragt worden sind. Eine fast an Unverschämtheit grenzende Ignoranz offenbart dabei der Paragraph 45. Darin will der Gesetzgeber nach 30 Jahren der Einwanderung immer noch und zum wievielten Mal den Bedarf nach diesen ethnischen Minderheitensendungen feststellen. Besonders in Berlin, wo jeder zehnte Bürger einen nichtdeutschen Paß trägt und von den Arbeitsmigranten, die aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien vor Jahrzehnten gekommen sind, die dritte Generation in Berlin aufwächst, müßte langsam die Multikulturalität dieser Stadt auf den verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen, darunter die der Medien, selbstverständlich sein.

Wenn man den Umfang, die Struktur und die Zukunftsperspektiven der jeweiligen fremdsprachigen audiovisuellen Medien näher betrachtet, ergibt sich aber ein ganz anderes Bild:

Beim Fernsehen, hier handelt es sich ausschließlich um die Kabelfernsehprogramme, existieren verschiedene private Programme in türkischer, persischer und griechischer Sprache. Mit großen technischen und journalistischen Defiziten senden sie täglich oder einige Tage in der Woche für begrenzte Stunden. Die journalistische Programmqualität und die Zukunftschancen dieser Programme leiden zunehmend unter der finanziellen Beschränktheit der Anbieter.

Seitdem manche Heimatländer wie die Türkei ihre Fernsehprogramme nach Europa, darunter per Kabel in Berlin, verbreiten, sind diese regionalproduzierten Kabelfernsehprogramme stark unter Konkurrenzdruck geraten. Trotz der programmlichen, technischen und journalistischen Beschränktheit, weil sie wegen des öffentlichen Desinteresses nirgendwo fachliche Unterstützung erfahren, bieten diese vorhandenen Kabelfernsehsendungen immer noch eine gewisse Nischenbefriedigung in der jeweiligen Sprache.

Von einer in Berlin produzierten, programmlich und journalistisch professionell gemachten fremdsprachigen Kabelfernsehsendung kann bis jetzt gar keine Rede sein.

Die Situation auf dem Gebiet der Berliner Hörfunksendungen für Immigranten ist insbesondere im Umfang dieser Sendungen noch beschränkter. Die öffentlich-rechtliche Anstalt, hier der SFB, gewährt täglich je eine halbe Stunde fünfmal in der Woche türkisch und serbokroatisch. Der private Radiosender Radio NRJ läßt aufgrund der Lizenzbestimmungen insgesamt vier Stunden in der Woche in vier Sprachen (türkisch, polnisch, kurdisch und arabisch) senden.

Mehr gibt es in Berlin an fremdsprachigen Hörfunkprogrammen nicht. Rechnerisch ergeben sich insgesamt neun Stunden pro Woche fremdsprachige Radioprogramme in fünf Sprachen. Das ist ein Anteil von 0,6 % des gesamten täglichen Programms auf dem Gebiet von West-Berlin. Özcan Ayanoglu

Eine parlamentarische Anhörung über die Zugangsrechte für ausländische MitbürgerInnen findet am Dienstag um 10 Uhr im Raum 0201 des Rathauses Schöneberg statt.