PRESS-SCHLAG
: Bundesliga: Du wirst erwartet

■ Ein erschütternder Leidensbericht von der schlimmsten Folter für den gemeinen Fußballfan: der Winterpause

Seit 1966 zählt der Autor die Pluspunkte für Dortmund, doch nie war er so heiß, nie so pedantisch in der Kalkulation der nötigen Punkte, um Meister zu werden, wie in den kalten Tagen des neuen Jahres.

Samstag für Samstag, wenn es draußen dunkel wird, tritt innen diese gähnende Leere auf: nur noch wenige Minuten bis zur Sportschau, noch Wochen aber bis zum Wiederanpfiff der Bundesliga mit dem geliebten BVB.

Statt dessen Wintersport. Pistenjäger zwischen den Fangzäunen spielen „Der Löwe ist los“, Bobs und Schlitten langweilen unter lebensgefährlichen Bedingungen den Zuschauer gar in vier unerträglichen Läufen, und hoch über dem grünen Boden der runden Tatsachen diskutieren sie „V-Stil für Deutschland?“ kurz vor dem Absprung (Wer weis, ob er pflog). Denkt er erst an Olympia, denkt er an Rosi Mittermaier: „Grenoble statt Albertville“ — Borussia baut ja auch nicht alle vier Jahre ein neues Stadion. Gut, daß wenigstens Olympia und Bundesliga gleichzeitig anfangen.

In seiner Auseinandersetzung mit dem deutschen Proletentum ist ihm Uwe Reinders, derzeit Trainer in Rostock, aber ein Junge aus dem Pott, ganz besonders ans Herz gewachsen. Daß dieser ihm jemals durch modische Weihnachtsbaumdekorationsvorschläge die jämmerliche Zeit überwinden helfen würde, hätte er nie erwartet. In einer Pressekonferenz nach dem letzten Spiel vor Jahresende in Dortmund sagte der schnoddrige Reinders zur Tabellenführung des BVB: „Ein großer Erfolg für die ganze Region. Jetzt können sich die Fans die Tabelle an den Weihnachtsbaum hängen.“ Reinders als heimlicher Borussen-Fan? Egal, damit muß man leben können.

Die wichtigste Tabelle des Jahres — wen interessiert da noch das Tor des Jahres aus Schalke — hängt jedenfalls immer noch an seinem Baum und war schuld an den Umsatzeinbußen der Revier-Einzelhändler im Weihnachtsgeschäft; denn richtiges Borussen-Glück kann man eben nicht kaufen. Wer trotzdem Geschenke gekauft hatte, stellte sie der neu ins Leben gerufenen Bayern-Hilfe zur Verfügung. Lieber ein bißchen frech und ironisch sein als nach Rußland spenden, das ist eben eine Frage der Mentalität.

Tennis guckt er auch nicht mehr der Borussen-Freund, denn Boris Becker ist schließlich Bayern- Fan und fällt damit unter die Unvereinbarkeitsklausel. Außerdem sind ihm momentan die älteren Semester wie John McEnroe lieber, solange Frank Mill noch spielt. Handball muß er sich jetzt viel ansehen, eignet sich seiner Meinung nach aber bestenfalls zum Geschwindigkeitsmessen im Problem-Weitwurf. Basketball hingegen ist für ihn nicht nachvollziehbar, da BVB- Anhänger nur bis 12 zählen können, und das nur unter heftigen Schmerzen, denn in grauer Vorzeit hieß es Borussia Mönchengladbach — Dortmund 12:0.

Gedanken wie: Warum spielt der Mill eigentlich so wenig, der aalglatte Breitzke war in der Halle wieder im Kader, schade um den verletzten Zorc, der kleine Rummenigge hat durch geniale Bälle den Schatten seines geschwätzigen Bruders endlich durchtrennt — beschäftigen ihn täglich während der Zigarettenpausen.

Wenn er mal etwas mehr Zeit hat, tüftelt er an der Taktik für das „Endspiel“ gegen Frankfurt, gegen Möller, den sie nun nicht mehr brauchen. Glück auf, Borussia 92, oder gilt das nur für Schalke? Bernd Schäfer-Zurhelle