Düstere US-Drohungen wegen Gatt

Vizepräsident Quayle und einflußreiche Senatoren machen Nato-Zusammenarbeit von Fortschritten bei der Liberalisierung des Welthandels abhängig/ Minister Kiechle blockiert Gatt-Fortschritte  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Auf unterschiedliche Reaktionen in Bonn sind die deutlichen Warnungen führender US-Politiker vom Wochenende gestoßen, die USA könnten ihre sicherheitspolitischen Verpflichtungen in der Nato reduzieren, falls die Europäische Gemeinschaft Washington bei den Weltwirtschaftsverhandlungen des Gatt vor allem im Agrarbereich nicht entgegenkommt. Während Bundesaußenminister Genscher gestern in Frankfurt gemeinsam mit seinem US- Amtskollegen Baker die „Notwendigkeit eines schnellen Abschlusses der Gatt-Verhandlungen“ unterstrich, wurden im CSU-geführten Bonner Agrarministerium weiterhin auf „Nachbesserungen“ des vorliegenden Kompromißentwurfes für ein Gatt-Abkommen gedrängt. Bei dem Tauziehen um eine Neufassung des „Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens“ (Gatt) geht es um die Liberalisierung des Welthandels und dabei insbesondere um den Abbau der Agrarsubventionen in der EG.

US-Vizepräsident Quayle hatte am Sonntag auf der „Konferenz für Sicherheitspolitik“ in München erklärt, Gatt sei zur „militärischen und Sicherheitsfrage“ geworden. Der einflußreiche republikanische Senator Lugar malte mit den Worten: „Wir bewegen uns auf einen Abgrund zu. Entweder merken die Europäer das nicht, oder wenn sie es merken, ist es ihnen egal.“ Eine tiefgreifende Krise der transatlantischen Beziehungen, falls die EG sich bei Gatt nicht auf die USA zubewegt. Die Senatoren Cohen, Rudman und McCain machten deutlich, daß der Rückhalt für die Nato und ihre weitgehende Finanzierung durch Washington in der US-Bevölkerung immer mehr schwinde. Bleibe die EG bei ihrer bisherigen Gatt-Position, könnte dies zu weit stärkeren Verringerungen der US-Militärpräsenz in Westeuropa führen als bislang vorgesehen.

Genscher ist nach Angaben seines Sprechers der Auffassung, der von Gatt-Generaldirektor Dunkel im Dezember vorgelegte Kompromißentwurf für ein Abkommen solle in der jetzigen Form schnell unterschrieben werden. Ähnlich wird im Wirtschaftsministerium gedacht. Agrarminister Kiechle besteht jedoch auf weitreichenden „Nachbesserungen“ zugunsten der EG-Landwirtschaft. Mit dieser Forderung bestimmt Kiechle de facto die bundesdeutsche Haltung in der EG. In der Zwölfergemeinschaft gelten Frankreich und die BRD als Bremser.

SPD-Verteidigungsexperte Karsten Voigt, der an der Münchner Tagung teilgenommen hatte, erklärte gegenüber der taz, unabhängig von Drohungen und Warnungen sei die Position Washingtons in der Gatt- Agrarfrage „völlig richtig“. Er hoffe, die Bundesregierung und die EG änderten ihre Haltung noch rechtzeitig bis zu der für die Woche vor Ostern vorgesehenen abschließenden Gatt-Verhandlungsrunde in Genf. Mit ihrer bisherigen Haltung schadeten die Bundesregierung und die EG auch den Ländern Osteuropas und der „Dritten Welt“. Gerade gegenüber den Staaten Osteuropas, deren stärkere Unterstützung durch die USA die Westeuropäer immer wieder forderten, habe die EG zusätzliche Handelsbarrieren errichtet.