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Macho ohne Moral

■ Boxer Mike Tyson der Vergewaltigung schuldig

Washington (taz) — Amerika hat wieder einen gefallenen Helden. Eine Jury aus acht Männern und vier Frauen hat am Montag abend den ehemaligen Schwergewichtsweltmeister im Boxen, Mike Tyson, schuldig gesprochen, die 18jährige „Miss Black America“ in seinem Hotelzimmer vergewaltigt zu haben. Dem 25jährigen Tyson, der das Urteil aschfahl und ohne Regung hinnahm, droht bei der für den 6.März angesetzten Verkündung des Strafmaßes eine Haftstrafe von bis zu 63 Jahren. Wahrscheinlicher ist dagegen ein Strafmaß von 5 bis 10 Jahren, von denen Tyson im Bundesstaat Indiana bei guter Führung rund die Hälfte absitzen müßte. Die sportliche Karriere des aggressivsten Boxweltmeisters aller Zeiten dürfte beendet sein. Dem Boxgeschäft in den USA wird damit seine seit Muhammad Ali charismatischste Figur genommen. Die Frauenbewegung dagegen konnte mit der Glaubwürdigkeit des Vergewaltigungsopfers in der jüngsten Serie von öffentlichen Show-Prozessen zur sexuellen Belästigung (Clarence Thomas) und Vergewaltigung (William Kennedy Smith) einen ersten Sieg verbuchen. Trotz seiner Berühmtheit und seiner finanziellen Möglichkeiten, das beste Verteidiger-Team anzuheuern, glaubte die Jury am Ende dem Opfer männlicher Selbstanmaßung und Gewalt. Der Prozeß zwischen dem Champion des Boxgeschäfts, „einer brutalen Ausbeutung der Männlichkeit“ (so der Essayist Gerald Early) und der Siegerin im Geschäft der Schönheitswettbewerbe, einer ebenso harten Ausbeutung der Weiblichkeit, kann gleich als mehrfache Metapher für die Rolle von Sport und Sex in der US-Gesellschaft dienen. Hier traf die männliche Ikone einer säkularen aber pseudoreligiösen Gesellschaft auf das weibliche Abbild eines puritanischen aber sexbesessenen Landes. Am Ende triumphierte — um weiter in ritualisierten Bildern zu sprechen — die naive, schulmädchenhafte „beauty“ über das aus dem Ghetto aufgestiegene „beast“.

Ausgebeutet wurde das ganze Spektakel, die gewaltsame Konfrontation des sportlichen mit dem sexuellen Ritual — im Hotelzimmer wie im Gerichtssaal — dann gleich noch einmal: von den Medien, die den Urteilsspruch über Tyson am Dienstag noch vor dem Ergebnis der Präsidentschaftsvorwahlen in Iowa brachten — sicherlich dem Zuschauerinteresse entsprechend.

Tyson selbst ist nun das — keineswegs unschuldige — Opfer dieser in den USA so unseligen Verquickung von Sport und Sex geworden. Vom Softporno der weiblichen Tanzgruppen in den Footballarenen über die mit Sex gefüllten Memoiren von Basketballstars, die hochpopuläre „Badeanzugs-Ausgabe der Sportillustrierten“ (einer Art 'Playboy‘- Nummer für alle) bis zur öffentlich tolerierten Promiskuität der Gladiatoren, dient hier das Macho-Image des Sports zur Legitimierung dessen, was sonst nicht erlaubt ist. Nicht zuletzt deswegen glaubte sich Mike Tyson in bezug auf Frauen alles leisten zu können. Wofür ihn eine so heuchlerische wie plötzlich rachesüchtige Gesellschaft nun bestraft hat. Rolf Paasch

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