: Haases Tramkonzept fiel in Bonn unten durch
■ Bundesverkehrsministerium: Für bloße Netzpläne gibt es keine müde Mark/ Zur Bewertung Kosten-Nutzen-Rechnung angemahnt/ Streckenausbaumittel erst ab 1996/ Straßenbahnen muß Berlin selbst bezahlen/ Konzept nicht nachvollziehbar
Berlin. Frühestens in vier Jahren werden die ersten neuen Linien für eine moderne Straßenbahn namens »Stadtbahn« gebaut werden können. Laut dem Bundesverkehrsministerium sind die Förderprogramme für den Streckenausbau nach dem Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz (GVFG) nämlich bis einschließlich 1995 ausgebucht. Bevor es aus Bonn Gelder zum Trassenbau gibt, gibt es für Verkehrssenator Haases Planer aber noch einiges zu tun.
So hält man im Krause-Ministerium das letzten November von Haase in einer Kurzfassung vorgestellte »Stadtbahn-Konzept« für »nicht nachvollziehbar« und keineswegs sinnfällig. In der vorliegenden Form sei das Konzept »von vorne bis hinten« dermaßen unvollständig, daß nicht ein einziges Trambahnvorhaben nach dem GVFG vorgemerkt werden könne. Das gleiche lasse sich nebenbei auch über das Konzept zur Wiederinbetriebnahme von S-Bahn- Strecken in Berlin und zwischen der Stadt und dem Umland sagen, heißt es inoffiziell in der Berliner Außenstelle des Ministeriums. Die Kritik: Vorerst hätten Haases Verkehrsplaner nur eine grobe Netzplanung erstellt. Zu einem richtigen Straßenbahnkonzept, das seinen Namen verdiene, muß aber viel mehr gehören, meinen die Fachbeamten Bundesverkehrsministers Krause. Sie vermissen insbesondere eine Kosten- Nutzen-Rechnung für einzelne Tramtrassen auf der Basis von anzunehmenden Fahrgastzahlen.
Die Angaben sind notwendig, damit in Bonn die Bedeutung und die Dringlichkeit der jeweiligen Trambahnprojekte anhand eines standardisierten Bewertungsverfahrens beurteilt werden können. Sollen GVFG-Mittel sprudeln, ist das bundeseinheitliche Untersuchungsverfahren anders als beim Ausbau vorhandener S- und U-Bahn-Trassen zwingend.
Theoretisch haben die Haase-Planer genug Zeit, die fehlenden Einzelgrößen für die Wirtschaftlichkeitsanalyse des künftigen »Stadtbahn«- Netzes nachzuliefern. Innerhalb der GVFG-Programme bis 1995 wären neue Tramvorhaben nur dann unterzubringen, wenn Berlin andere Nahverkehrsprojekte hintanstellt. Bislang setzt der Senat auf zusätzliche Gelder aus Bonn. Mit einer von Minister Krause vorgeschlagenen Aufstockung der GVFG-Mittel auf mehr als das Doppelte des jetzigen Plafondsbetrages von 3,27 Millionen Mark für alle Bundesländer wird es nach dem gegenwärtigen Stand nun wohl nichts, da die SPD im Vermittlungsausschuß die gedachte Finanzierungsquelle, eine Mehrwertsteuererhöhung, blockiert hat. »Wir müssen jetzt schon wissen, in welcher Reihenfolge Berlin die Nahverkehrsmittel kombinieren will«, heißt es indes aus dem Ministerium. Ein leitender Beamter: »Sonst kommt aus dem politischen Raum völlig zu Recht der Vorwurf, daß der Bund Vorhaben zu Lasten viel wichtigerer Verkehrsaufgaben fördere.«
Auch Verkehrssenator Haases Auffassung, neue Straßenbahnfahrzeuge könnten mit GVFG-Geldern beschafft werden, wies der Beamte als »Milchmädchenrechnung« zurück. Die im Zeitraum 1992 bis 1995 zu erwartenden Summen zur Fahrzeugbeschaffung von günstigstenfalls 20 oder 22 Millionen Mark könnten »keinesfalls die tragende Säule« für neue Straßenbahnen sein. Grund: Zu einem nicht unwesentlichen Teil müßten mit den Beträgen die alten Tatra-Wagen modernisiert und auch noch neue BVG-Busse bezahlt werden. Wenn Berlin mittelfristig 400 neue Straßenbahnen kaufen wolle, muß die Stadt das aus dem Landeshaushalt bezahlen, so der Beamte. »Das predigen wir von Anfang an.« Auf taz-Anfrage begründete dagegen die Sprecherin des Verkehrssenators, Uta-Micaela Dürig, den fehlenden Bestelltermin für die neuen Niederflurwagen erneut damit, daß die erstmaligen Zuwendungen zum Kauf von Schienenfahrzeugen noch nicht festständen.
Nach den Worten der Sprecherin sollen »noch in diesem Halbjahr« Planfeststellungsverfahren für insgesamt sechs Neubaustrecken der Tram eingeleitet werden. Sie nannte die Strecken Bornholmer Straße — U-Bahnhof Seestraße, Bernauer — Invalidenstraße — Lehrter Stadtbahnhof, Prenzlauer Tor — Kulturforum, Mollstraße — Lehrter Stadtbahnhof, Spittelmarkt — Hallesches Tor — Lindenstraße sowie Spandauer Tor — Hackescher Markt. Die Haase-Sprecherin ging davon aus, daß die Planungsverfahren binnen eines Jahres abgeschlossen werden könnten. Schon im nächsten Jahr sei dann mit dem Baubeginn zu rechnen, erklärte Frau Dürig, wobei sie die geschilderten Finanzierungsprobleme unterschlug. Staatssekretär Schmitt aus der Verkehrsverwaltung hatte Ende Januar wohlweislich nur von »Bemühungen« gesprochen, in den nächsten zwei Jahren ein bis zwei Modellstrecken optimal auszubauen. Hierfür böten sich die Linien 3 und 4 (zur Seestraße beziehungsweise zum Lehrter Stadtbahnhof) an. Thomas Knauf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen