Große „Tour der Pannen“

Magdeburg (taz) — Er knattert, stinkt und scheppert und war jahrzehntelang das Symbol schlechthin für die technologische Rückständigkeit der Deutschen Demokratischen Republik. Der Trabant, kurz Trabi genannt. Jetzt soll der qualmende Zwickauer Zweitakter zu neuen Ehren kommen. Rund zwanzig Exemplare der von den einen noch immer geliebten, von den anderen schon lange verachteten Rennpappe starten im März zur Rallye Magdeburg-Marrakesch.

Organisiert wird das qualmende Spektakel von Drehorgel-Rolf, einem Original aus Halle, mit bürgerlichem Namen Rolf Becker. „Aber den Namen kennt kaum einer“, meint Becker, der mit Trabi und Drehorgel schon weit herumkam in der Welt.

Im vergangenen Herbst zog es Becker mit seiner Asphaltblase und einer Drehorgel nach China, wo er in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens so lange die Kurbel seiner Orgel drehte, bis die Ordnungshüter ihn von dort vertrieben. Im Sommer desselben Jahres fuhr er mit seinem Trabi quer durch die Vereinigten Staaten — ohne Drehorgel, denn die hatte die PanAm unterwegs verbusselt. Für diese Trabi-Tour quer durch die Staaten kam Becker sogar ins Guinness-Buch der Rekorde.

Nicht zum ersten Mal übrigens. Unter anderem hält er nach wie vor den schon vor der Wende in der DDR aufgestellten Weltrekord im Dauerdrehorgelspielen. 48 Stunden drehte er 1988 an der Kurbel, während er sein Instrument durch die Straßen schob. „Das war damals Taktik“, erzählt Rolf. „Wegen meiner großen Klappe kriegte ich immer wieder ein Spielverbot aufgedrückt.“

Wenn er mit seiner Drehorgel auch international Aufsehen erregte, so kalkulierte Becker, könnten ihm die DDR-Oberen nicht mehr so einfach den Mund und das Orgelspielen verbieten. Es klappte, Drehorgel- Rolf war der erste Bürger des Arbeiter- und Bauernstaates im Guinness- Buch der Rekorde.

Sich selbst und seinen Mitstreitern verspricht Drehorgel-Rolf für die März-Rallye „eine Tour der Pannen, aber die werden wir mit Nonchalance nehmen“. Schließlich benötige man zur Reparatur eines Trabis kaum mehr als einen Hammer, einen Schraubenzieher und eine Rolle Draht.

Das genüge vollkommen, findet Becker; mehr mitzunehmen, habe eh keinen Zweck. Denn: „Man kann noch so viele Ersatzteile mitnehmen, kaputt geht ohnehin immer, was man gerade nicht dabei hat.“

Aber auch dafür hat Becker schon vorgesorgt. Mehrere Werkstätten und Schrottplätze werden während der etwa vier Wochen dauernden Gewalttour in der Heimat ständig in Bereitschaft sein, um dringend benötigte Ersatzteile aus Trabi-Leichen auszubauen und den Havaristen per Expreß auf die Rallye-Strecke nachzuschicken.

Von den Teilnehmer-Teams erwartet Becker vor allem eine gehörige Portion Humor, die aber durchaus mit einigem Durchhaltevermögen gepaart sein dürfe. „Autos aus Pappe brauchen Fahrer aus Stahl“, stellt Drehorgel-Rolf augenzwinkernd fest.

Zugelassen werden nur Trabis mit serienmäßiger Austattung. Die 26 Pferdestärken des Zweitakters aus Zwickau reichen vollkommen aus, findet Becker. „Der Trabi ist ein in sich geschlossenes System“, doziert er, „wenn man da einen stärkeren Motor einbaut, geht mit Sicherheit die Kupplung oder die Antriebswelle kaputt.“ Erlaubt ist allenfalls die Nachrüstung mit einem Trabi- Kat.

Auch andere Fahrzeuge will Becker auf seine Rallye mitnehmen. „Wer unbedingt auf einer MZ dabei sein will, der darf auch mit“, sagt er. „Schließlich fährt auch eine komplette Freiwillige Feuerwehr aus Brandenburg mit ihrem S1000-Einsatzfahrzeug mit.“ Aber Fahrzeuge aus serienmäßiger DDR-Produktion müssen es schon sein.

Schnelligkeit ist bei der Rallye Magdeburg-Marrakesch ohnehin nicht sonderlich gefragt. Wer das festgelegte Tagesziel zu früh erreicht, dem verspricht Becker Punkteabzug in der Gesamwertung. Schließlich sollen die Trabis alle wieder einigermaßen heile nach Hause kommen, findet er.

Die Wertungsprüfungen sollten die Fahrer, unter ihnen auch zahlreiche Frauen, mehr mit Augenzwinkern als mit Verbissenheit absolvieren. „Ich könnte mir als Zwischenprüfung durchaus einen Wettlauf zwischen Trabi und Kamel vorstellen“, phantasiert Drehorgel-Rolf. Bleibt zu hoffen, daß der Trabi das Kamel nicht mit seinen stinkenden Zweitakter-Abgasen aus dem Rennen wirft. Völlig unsportlich wäre das, oder?

Auf die Idee zu der ungewöhnlichen Rallye kam Drehorgel-Rolf, weil andere ihn nicht mitspielen lassen wollten. Als er sich mit seiner Rennpappe für die diesjährige Rallye Paris-Kapstadt bewarb, zeigte ihm die Rennleitung umgehend die rote Karte.

Jetzt schickt Rolf seine eigene Rallye in den Süden. Ehrenstart ist am 7.März bei der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin, der heiße Start einen Tag später in Magdeburg. „Und wer irgendwann einmal etwas mit der Rallye Paris—Dakar oder Paris-Kapstadt zu tun hatte“, verspricht Rolf in finsterer Rache, „der darf an unserem Trabi-Treck nach Marrakesch auch nicht teilnehmen.“ Eberhard Löblich