Gleichstellung — das fehlte noch!

■ Bonner Koalition ist über Entwurf zum Gleichberechtigungsgesetz aus dem Hause Merkel nicht erfreut

Berlin (taz) — Gleichstellungspolitik ist „Konfrontation“, bemerkte einmal die nicht gerade radikalfeministische Rita Süssmuth. Diese Konfrontation steht Frauenministerin Angela Merkel (CDU) jetzt ins Haus. Ihr geplantes Artikelgesetz zur Gleichberechtigung der Frauen liegt erst als Diskussionsentwurf in den Ressorts — und schon hagelt es von allen Seiten Einwände.

Den Christdemokraten ist vor allem nicht geheuer, daß Frauen in Ehrenämtern steuerliche Vergünstigungen erhalten sollen. „Da gibt es in der CDU die meisten Probleme“, sagte gestern Gertrud Sahler vom Merkel-Ministerium. Im Hause Waigel befürchtet man offenbar, daß der geplante Steuerfreibetrag das Staatssäckel mit mehreren Milliarden belasten könne.

Ideologisch aber viel brisanter ist der Passus, der das EG-Anpassungsgesetz von 1980 novellieren soll. Paragraph611a BGB schreibt zwar fest, daß niemand wegen seines Geschlechts bei einer Einstellung benachteiligt werden darf. Die Beweislast aber liegt bei der Bewerberin, (Männer bleiben ja in der Regel von diesem Problem verschont). Im Merkel-Entwurf wird die Beweislast umgekehrt: Künftig soll der Arbeitgeber belegen müssen, daß er eine Frau nicht aus geschlechtsspezifischen Gründen abgelehnt hat, sondern nur, weil ihre Qualifikation nicht ausreichte. Kann er das nicht, soll er Schadenersatz zahlen — bis zu vier Monatsgehältern.

Das paßt weder der FDP noch ihrer Klientel in Unternehmerkreisen. „Wir haben Bedenken für den Mittelstand“, erklärte gestern die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Uta Würfel. „Aber Streit gibt es deshalb in der Koalition überhaupt nicht.“ Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände wirft Merkel vor, ihr Entwurf verfolge „das richtige Ziel“ mit „untauglichen Mitteln“. Die Umkehr der Beweislast sei „praxisfremd“, es drohe eine „Prozeßlawine über die Frage, ob sich in jedem Einzelfall hinter den vorgebrachten Sachargumenten nicht doch ,Frauenfeindlichkeit‘ verberge“. Bei der Höhe der Schadenersatzforderungen drohe den Unternehmen „eine völlig unvertretbare zusätzliche Kostenbelastung“.

Weniger strittig, so Gertrud Sahler vom Frauenministerium, ist die ins Auge gefaßte Änderung der Reichsversicherungsordnung. Man sei „zuversichtlich“, daß eine Unfallversicherung für Hausfrauen in der Koalition durchgesetzt werden könne. Insgesamt aber rechnet das Ministerium mit „großen Widerständen“ bei den Abstimmungen in den Ressorts und mit den Verbänden. Ursprünglich sollte der Entwurf noch vor der Sommerpause dem Kabinett vorgelegt werden. Das sei allerdings nicht mehr realistisch, zitiert die 'Welt‘ Merkels Staatssekretär Willi Hausmann aus einem internen Protokoll. Bascha Mika