Leichte Muse — harte Arbeit

■ Das Schauspieler-Ehepaar Calvert und Jung spielt seit sechs Jahren im »Theater des Westens«/ Ein Mädchen vom Ballett und ein junger Schauspieler lernen sich kennen und machen zusammen Karriere

Bis zu 14 Stunden täglich verbringen die beiden Schauspieler Janet Calvert (30) und Cusch Jung (31) in diesen Wochen am Theater des Westens. Nach der Premiere ihrer eigenen Mitternachtsshow How to audition to the theater, ein Programm, in dem sie unbekannte Stücke von Stephen Sondheim, Leonard Bernstein und Irving Berlin vorstellten, proben sie jetzt für das neue Stück Sweet Charity.

Halb zwölf Uhr nachts ist es, als Cusch und Janet schließlich zu unserer Verabredung kommen und sich erschöpft in die Sessel sinken lassen. »Wir haben sonst einfach keine Zeit«, erzählt Janet. »Ich bin schon so übermüdet, daß ich nicht mehr schlafen kann. Manchmal falle ich erst morgens um fünf Uhr für ein paar Stunden ins Bett.«

Kennengelernt haben sich die beiden vor zehn Jahren bei einem Engagement in Kaiserslautern. Anything goes hieß das Stück, und Cusch hatte damals schon ein gutes Jahrzehnt Theater hinter sich, wie er sich erinnert: »Eigentlich bin ich seit 21 Jahren Profi. Es fing an mit einer Hauptrolle bei Emil und die Detektive, und danach bin ich immer beim Theater geblieben«, erzählt Cusch. »Schauspielunterricht habe ich nie gehabt. Ich habe von älteren Kollegen gelernt und später, während meines Zivildienstes, Gesangs- und Tanzunterricht genommen. Ich habe den Beruf gewissermaßen von der Pike auf gelernt.«

Janet, die in England klassisches Ballett und Tanzpädagogik studiert hatte, wollte ursprünglich nur für eine einzige Spielzeit in Deutschland bleiben. Was statt dessen geschah, könnte durchaus den Stoff für ein Musical abgeben, ist aber eine wahre Geschichte: Das Mädchen vom Ballett verliebte sich in den jungen, gutaussehenden Schauspieler Cusch. Die beiden heirateten, wurden am gleichen Theater engagiert und machten gemeinsam Karriere. Seit sechs Jahren sind sie nun zusammen am Theater des Westens und »kinder- und religionslos glücklich«.

Cusch spielte seitdem den englischen Schriftsteller in Cabaret, den Sohn in Cage aux Folles. Er war in der Weilland-Revue und Eins, Zwei, Drei zu sehen. Währenddessen verbrachte Janet ein paar Jahre beim Ballett. Vor kurzem erhielt auch sie einen Solistenvertrag und fühlt sich seitdem in einer ganz neuen Phase ihrer Karriere.

»Ich habe früher nie Solo gesungen, und jetzt lerne ich jeden Tag etwas Neues«, erzählt sie. »Viele Leute denken, daß man sich beim Theater abends ein hübsches Kostüm anzieht und ein bißchen singt und tanzt. Doch manchmal habe ich richtig Probleme, all die Margies und Betsies, die ich spiele, aus dem Kopf zu kriegen und einfach nur Janet zu sein«, sagt sie nachdenklich. »Man muß sein eigenes Zentrum behalten und darf sich nicht vom Job überfahren lassen. Sonst kann man auch keine Figur glaubwürdig darstellen.«

Ist so eine Ganztagsehe nicht belastend für die Partnerschaft? Cusch: »Man lernt sich schon ganz gut kennen. Beim Theater muß man öfter die Hosen runterlassen und sieht die Schwächen der anderen Person. Wenn man den anderen dann in seiner Arbeit kritisiert, ist es schwierig, objektiv zu sein. Denn schließlich will man nicht private Verhaltensmuster korrigieren«.

Janet sieht das ähnlich: »Jedenfalls gehen wir uns nicht auf die Nerven. Man sieht sich auf der Bühne gar nicht so oft, wie man sich vorstellt. Es ist normal, daß es Reibungspunkte gibt, doch wir ergänzen uns sehr gut. Ich bin manchmal etwas launisch, aber Cusch ist ein guter Puffer«, meint sie und: »Eigentlich ist es auch ungewöhnlich, daß wir so lange Zeit am selben Haus engagiert sind. In vielen Schauspieler-Ehen ist eher die Trennung ein Problem, weil man sich oft lange nicht sieht, wenn man in anderen Städten spielt.«

Aggressionsabbau findet nicht zuletzt auf der Bühne statt. Cusch: »Man kann in einer Vorstellung, in einem Lied oder beim Tanzen wunderbar Emotionen rauslassen und Negatives abreagieren.«

Und wo bleibt bei all der Arbeit das Privatleben? »Haben wir zur Zeit nicht«, lacht Janet nach kurzem Überlegen. »Ich schreibe gerne Texte, aber wenn ich frei habe, fange ich manchmal ganz motorisch an zu putzen, weil ich es gewöhnt bin, immer in Bewegung zu sein. Zu Hause wollen wir im Moment nur unsere Ruhe haben und gehen auch nicht an die Tür. Außerdem ist man natürlich ehrgeizig und will weiterkommen. Es gibt genug Leute in unserem Beruf, die nicht so gute Jobs haben.« Die leichte Muse ist meist harte Arbeit. Martin Schacht