20.000 für eine neue alte UdSSR

■ Trotz Demonstrationsverbots demonstrierten Tausende in Moskau gegen die Politik Jelzins und die Wiederherstellung der alten UdSSR / Jelzin forderte Achtung vor den „Menschen mit Schulterstücken“

Moskau (dpa/taz) — Der Anlaß kam den ordengeschmückten Helden der ehemaligen Sowjetunion gerade recht, doch nicht nur ihnen. Am gestrigen „Tag der sowjetischen Armee“ demonstrierten fast 20.000 trotz Verbots im Zentrum Moskaus gegen die Reformpolitik Boris Jelzins. Die Sicherheitsorgane, die bereits am Morgen das Zentrum der Stadt weiträumig abgeriegelt hatten, wurden in Sprechchören als „Faschisten und Feinde des eigenen Volkes “ beschimpft. Ansonsten war das Bild, das sich den MoskauerInnen bot, vertraut: Wieder einmal trugen die ewig Gestrigen Flaggen der alten UdSSR, Lenin- und Stalin-Bilder vor sich her. Auch ihre Parolen hatten wenig neues zu bieten: „Gegen die demokratische faschistische Regierung“, oder: „Die Verräter sind im Kreml, die Patrioten im Gefängnis.“ General Albert Makaschow forderte lautstark die Wiederherstellung der alten UdSSR und die Einheit der Armee. Dafür, so Makaschow, solle am 17. März der inzwischen aufgelöste Kongreß der Volksdeputierten der UdSSR tagen, um dies zu beschließen.

Vom Majakowski-Platz aus zogen orthodoxe Kommunisten, Anhänger der rechtsradikalen Liberaldemokratischen Partei, die Bewegung „Soldaten für die Demokratie“, das Allunionskomitee der Komunisten und die Sozialistische Arbeiterpartei in trauter Gemeinsamkeit die Twerskaja-Straße entlang zum Manege-Platz, schräg gegenüber vom Kreml. Dort sollte eigentlich die geplante Kundgebung stattfinden. Doch Spezialeinheiten des russischen Innenministeriums (OMON) hatten vorgesorgt. Mit Schlagstöcken drängten sie die Armeeangehörigen zurück, Lastwagen und Autobusse versperrten die Zufahrtsstraßen in das Stadtzentrum, selbst die zentralen Metrostationen waren geschlossen. Als einzelne Gruppen dennoch versuchten, den engen Kordon zu durchbrechen, schlug die Miliz zu. Dabei wurden nach Augenzeugenberichten drei Teilnehmer leicht verletzt. Erst nach langen Verhandlungen, so 'ITAT- TASS‘, erlaubte die Miliz einer Gruppe von Armeevertretern, Kränze am Grabmal des Unbekannten Soldaten niederzulegen.

Die russische Führung hatte in den vergangenen Tagen mehrere Maßnahmen ergriffen, um vor allem den Unmut über die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage in den Streitkräften abzumildern. So verfügte Jelzin einen Erlaß, mit dem der soziale Schutz der Militärs und ihrer Familien verbessert werden soll. Am Vorabend des Feiertages sicherte er der Armee auch den unmittelbaren Schutz des Präsidenten zu. „In Rußland ist die traditionelle Achtung gegenüber den Menschen mit Schulterstücken besonders stark ausgeprägt. Diese Tradition muß gestärkt werden“, sagte er im Fernsehen.

Der „Tag der sowjetischen Armee und der Kriegsflotte“ geht auf einen Erlaß des Staatsgründers Lenin über die Schaffung der Armee aus dem Jahre 1918 zurück. bz