Nachgefragt: "Man wird einfach beschissen"

Die Historikerin Renate Meyer-Braun ist seit 1970 Mitglied der SPD und seit vier Jahren im Landesvorstand. In der nächsten Parteiführung, die Ende März vom Landesparteitag gewählt wird, ist die Hochschullehrerin nicht mehr vertreten.

taz: Frau Meyer-Braun, warum sind Sie nicht mehr für den SPD-Landesvorstand nominiert?

Renate Meyer-Braun: Ich möchte nicht wieder kandidieren - sehr zum Bedauern meines Ortsvereins und der UB-Ost-Linken — weil ich einen gewissen Frust darüber empfinde, daß der Landesvorstand dem Senat gegenüber so wenig Profil gezeigt hat und so wenig Bereitschaft, die Regierung auch anzugreifen. Ich bin jemand, die für sich in Anspruch nimmt, im Landesvorstand den Mund aufgemacht zu haben.

Mein zweiter Grund war: Mir ist klar geworden, daß man im Landesvorstand viel Zeit investieren muß, wenn man dort gute Arbeit leisten will. Als ehrenamtliche Parteigenossin kann man das ganz schlecht. Das ist ein Strukturproblem. Die hauptberuflich Tätigen, die Abgeordneten, hätten die Chance, sich immer bestens informiert dort einzuklinken, für Ehrenamtliche ist das ganz schwierig. Und das muß ich jetzt wirklich einmal sagen: Man wird da im Vorstand auch regelrecht beschissen. Ich habe zum Beispiel einen Antrag zum Kongreßzentrum eingebracht, und der ist dann entschärft worden, und es hieß immer: Wir erwarten, daß der Senat auf uns zukommt. Da wurde aber nichts draus.

Es gibt einen Landesparteitagsbeschluß, in dem Erneuerung der Partei gefordert wird. Sie gehören dem SPD-Reformerflügel an, kommt nicht jetzt erst Ihre Stunde im Landesvorstand?

Das klingt ganz gut, diese Aufbruchstimmung, aber ich bin da etwas skeptisch. So allzu viel Aufbruch habe ich bis jetzt nicht gesehen, außer den Rücktritt von Ilse Janz, den ich sehr bedauert habe. Wie die Fraktionsvorstandswahl gelaufen ist, da war nichts zu sehen an Änderungsbereitschaft. Nun könnte man sagen: Soll es die Partei machen. Ich bin da resigniert, ich glaube nicht daran. Ich finde zum Beispiel die enge Verzahnung von Partei und Koalitionsausschuß von Übel. Ich habe das als eine der ersten im Landesvorstand kritisiert, als Beispiel, wie leicht man sich dort einbinden läßt. Einbinden lassen, wenig Mumm zeigen, Ängste haben, das habe ich so oft erlebt, ich bin müde, ich will nicht mehr. Im übrigen habe ich noch andere Interessen, beruflicher Art, und ich bleibe ja auch in der Partei. Im Landesvorstand, die Arbeit ist mir zu ineffiktiv.

Welche Voraussetzungen müßten denn Ihrer Meinung nach erfüllt sein, damit eine Reform in der Partei greifen kann?

Vor allem muß jemand völlig unabhängig sein. Das ist das große Dilemma. Man darf nicht erpreßbar sein, man muß finanziell unabhängig sein, man muß einen Beruf haben, der einem Spaß macht, und in den man auch wieder zurückkehren möchte. Nach solchen Personen muß Ausschau gehalten werden, nach Leuten, die nicht immer Angst haben, etwas zu sagen. Das ist das Allerwichtigste.

Wenn man sich die Liste der Vorstandskandidaten und -kandidatinnen ansieht, tauchen trotz aller Reformrederei viele alte Namen wieder auf. War Ihnen das bekannt?

Ja, ich kenne die Namen im wesentlichen. Viele von denen, die einmal als Linke angetreten sind, sind ungeheuer staatstragend geworden und sehr vorsichtig in ihren Äußerungen, das hat mich zunächst sehr gewundert, dann sehr gestört. Und dann resignieren lassen. Fragen: mad