PRESS-SCHLAG
: „Trübung in der Linse“

■ ZDF-Reporter Klaus Angermann leidet für Deutschland

Eines hat Klaus Angermann wohl nie recht verwunden: Daß damals in Seoul nicht er, sondern Wolfram „Deutschland über alles“ Esser den sogenannten Deutschlandachter zum Rudergold reportierte. Der ebenfalls gern und exzessiv volkstümelnde Angermann mußte sich mit dem Ringergold des Pasquale Passerelli begnügen, ein Erlebnis, bei dem der mitringende Klaus am ZDF-Mikrophon fast genauso knapp dem Erstickungstod entging, wie der eine Minute im Schwitzkasten eines Japaners befindliche Goldmedaillengewinner. Im Winter ist Angermann für Bob und Rodel zuständig, und das seit gut 25 Jahren, dafür ist er erst neulich vom hiesigen Verband ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung ging zweifelsohne an den Richtigen, denn keiner setzt sich engagierter für den deutschen Bob- und Rodelsport ein! Klaus kennt sie alle, und das erzählt er auch gerne am Bildschirm, wann immer einer aus dem deutschen Lager durch den Schwenkbereich der Kamera schleicht. Auch aus seiner nationalen Denkweise macht er keinen Hehl: „Ich drücke ihm nicht die Daumen, dem Briten“, verkündet er aufrecht während des Viererbobwettbewerbs. Der Grund des simplen Mannes: „Czudaj wäre dann schon Achter!“ Überhaupt Harald Czudaj, der Stasi-Spitzel: „Nicht nur der Sport hinterläßt Spuren im Gesicht des 27jährigen“, angermannt es, ohne daß auf die Problematik größer eingegangen werden soll. Klaus ist nicht der Mann, über andere zu richten, schon gar nicht über die „kleinen Fische“. „Konzentrieren wir uns auf das Sportliche“, spricht er und schließt mit einem stoßseufzenden „wir kennen ja unsere Heimat in Thüringen viel zu wenig“. Dann wird's ernst: „Die Bahn ist frei für Deutschland I!“, und aufgeregt und gefangen vom Rinnenrutschen schreit er dem davonrasenden Bob mit Doppelolympiasieger Wolfgang Hoppe an den Seilen ein gestrenges „Welche Startzeit, Hoppe?“ hinterher, um sofort wieder freundlich-befriedigt zum angestammten „Du“ zurückzukehren, als jener zwar nicht antwortet, aber in Führung liegt: „5,93 — Bravo, Wolfgang!“

Wie in den guten alten Zeiten versteht sich der freundliche Brillenträger auf Schwarz-Weiß-Kontraste: „Ja, Wolfgang, locker und gelassen der Deutsche — angespannt jetzt Gustav Weder.“ Und weiter im rhetorischen Gewerbe: „Sechste Zeit nur, Gustav, wo hast du die Sekündchen gelassen, die Bruchteile?“ Ja wo? Zuhause in der Schweiz vielleicht? Jedenfalls wird Angi jetzt streng: „Das darf nicht passieren, daß weiß der Familienvater, der zweimalige Weltmeister“, der Eidgenosse, der Bartträger, der Hobbykoch, der Weltmeister der Apposition? Treibt er's mal wieder all zu wild, wird auch mal Selbstkritik geangermannt: „Da merkt man, doch auch als Reporter, daß man ein bißchen Patriot ist“.

Während der Zuschauer sich von diesem Geständnis noch nicht erholt hat, schlägt der Angermann gleich noch einmal zu. Obwohl das Resultat bereits seit Ewigkeiten bekannt und eingeblendet ist, kopfrechnet's laut und lauter aus dem Arithmetikgenie. Dann hat er's, oder doch nicht so ganz. „Moment, ich muß mich korrigieren“, krächzt es schließlich fröhlich: „Kleine Trübung in der Linse bei Angermann!“ Wenn das sein letztes Wort gewesen wäre! Peter Unfried