„Die Berlinale ist reine Angabe“

■ Preise für die fadesten, langweiligsten und leidenschaftslosesten Filme/ Goldener Bär für Kasdans „Grand Canyon“

Kein Preis für Scorsese, kein Bär für Cronenberg, dafür eine lobende Erwähnung für Barbara Thummet, der pfiffigen, fränkischen Oma in Geissendörfers Gudrun: Zur verfehlten Festivalpolitik, die die Berlinale seit Jahren auszeichnet (siehe dazu taz-Berlin heute beziehungsweise taz-Berlinale morgen), hätten die diesjährigen Preise nicht passender vergeben werden können. Treffsicher hat die internationale Jury unter Vorsitz der französischen Schauspielerin Annie Girardot die fadesten, langweiligsten und leidenschaftslosesten Filme prämiert, die der Wettbewerb in diesem Jahr zu bieten hatte.

Der Goldene Bär ging an Lawrence Kasdans Grand Canyon, der auf dem Festival einmütig als schwächster Beitrag der US-Majors gehandelt wurde. Den Spezialpreis der Jury erhielt Istvan Szabos Sweet Emma, Dear Böbe, über den es auf diesen Seiten hieß: „Endlose Monologe über den Abstieg in Gefühlstiefen sind im schlichten Schuß-Gegenschuß-Verfahren zu Dialogen montiert. Eine triste Soap-opera.“ Den Silbernen Bären für die beste Regie gewann Jan Troells skandinavischer Beitrag Il Capitano, eine Art verfilmte Sozialakte, die ihre Figuren an die Langeweile verrät. Weitere Silberne Bären gingen an den chilenischen Beitrag La Frontera von Ricardo Larrain und den spanischen Film Beltenebros von Pilar Miró, einem Polit-Thriller über den Kampf im spanischen Untergrund der Franco-Zeit. Zitat aus der taz-Kritik: „Der Tod des Kinos, nirgends ist er geschwätziger demonstriert worden.“

Auf den einmütigen und lautstarken Protest der versammelten Presse reagierte Berlinale- Chef Moritz de Hadeln mit einer Beteuerung: „Ich möchte betonen, daß die Jury ihre Entscheidung unabhängig getroffen hat.“ Ganz so, als müsse er sich dieser Selbstverständlichkeit selber versichern.Lediglich die Darstellerpreise für Maggie Cheung (Ruan Ling Yu, Hongkong/Taiwan) und für Armin Mueller-Stahl in der Bruce- Chatwin-Verfilmung Utz, die man gemeinhin erwartet hatte, wurden mit verhaltenem Applaus quittiert. Was wir zum Anlaß nehmen, an Mueller-Stahls Festival-Beschimpfung auf der Pressekonferenz zu Utz zu erinnern: „Die Berlinale ist reine Angabe.“ Bären für Kurzfilme verweigerte die Jury übrigens komplett. Sie empfahl dem Festival eine Überprüfung der Auswahlkriterien, um in Zukunft vor jedem Spielfilm „Kurzfilme mit Festivalqualität“ zeigen zu können. Die Jury hätte gut daran getan, mit den Langfilmen diesmal genauso zu verfahren. chp