Die Jäger der verlorenen Mission

■ Der US-Propagandasender Voice of America wird 50 Jahre alt

Washington (epd) — Vor 50 Jahren hatten die USA Japan und Deutschland gerade den Krieg erklärt. Die Wehrmacht und Waffen-SS-Einheiten standen tief in Osteuropa. Die deutschen Medien waren schon lange gleichgeschaltet. Zu lesen und zu hören gab es nur Optimistisches über die Allmacht der Nationalsozialisten. Am 24. Februar 1942 konnten Deutsche, die es riskierten, schwarz zu hören, erstmals die „Stimme Amerikas“ vernehmen. Heute, an ihrem 50. Geburtstag, ist die Voice of America nach der englischen BBC der größte internationale Rundfunksender. In 47 Sprachen von Albanisch über Rumänisch bis hin zu Usbekisch und Vietnamesisch strahlt der Sender jetzt auf Kurzwelle Nachrichten, Musik und Kulturelles aus. In der „neuen Welt“ der 90er Jahre, nach dem Kollaps aller „großen“ Feinde der USA, ist die Voice of America auf der Suche nach einer neuen Mission.

Einer der Gründerväter, der Schriftsteller Robert Sherwood, bestimmte, daß der Sender keine Propaganda bringen dürfe. Wahrheitsliebe würde den USA letztendlich mehr nützen. Diesen „Anspruch“ haben die 3.000 Mitarbeiter noch heute. Die Voice of America sei „eine immer zuverlässige Informationsquelle“, heißt es im gesetzlichen Auftrag. Die Nachrichten seien „wahrheitsgemäß, objektiv und allumfassend“.

Freilich kollidiert der Anspruch mit der Alltagspolitik. Im Gegensatz zur unabhängigen BBC ist die „Voice of America“ einer Behörde untergeordnet, der „United States Information Agency“ (USIA), die für die Regierung spricht. Die Direktoren des Senders werden vom US-Präsidenten ernannt. Kritiker beklagen, daß zuwenig über Problematisches und Negatives in den USA berichtet werde, vor allem in „Krisenfällen“ sei man auf Regierungslinie. Während des Kalten Krieges war ein strammer antikommunistischer Kurs selbstverständlich. Unter der Regierung Ronald Reagans hatten die Berichte über Nicaragua oft einen antisandinistischen Ton. Ein Direktoriumsmitglied räumte diese Woche ein, daß Hörer in vielen Ländern der BBC mehr trauten als der Voice of America.

Gelegentlich benutzt die Regierung den Sender auch für geheimdienstliche Projekte. Im Jahr 1986, als der Iran-Contra-Skandal mit seinen geheimen Waffenlieferungen an den Iran ein Hauptthema war, wurde ein mit iranischen Waffenhändlern im voraus abgesprochenes Editorial ausgestrahlt, um zu signalisieren, daß ihre US-Gesprächspartner tatsächlich im Auftrag der Regierung tätig waren. Ein georgischer Ansager wurde 1985 entlassen, nachdem er sich darüber beschwert hatte, daß er auf Befehl ein georgisches Volkslied inmitten einer Rockmusiksendung bringen mußte.

Die Voice of America hat weltweit mehr als 100 Millionen Zuhörer. Wenn man berücksichtige, wie gering der Etat sei (230 Millionen US-Dollar im Jahr), dann müsse der Sender als „die wirkungsvollste US- Behörde gelten“, sagte Direktor Chase Untermeyer. Schwerpunktmäßig will man jetzt auch für die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken senden. Im März beginnt ein einjähriger „Nachhilfekurs“ für die „sich entwickelnden Demokratien in Osteuropa“: politische und wirtschaftliche „Grundkonzepte“ für das Leben im Kapitalismus. Konrad Ege