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Rußland will noch nicht in die Nato

Wörner sondiert im alten Feindesland Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Nato und Rußland/ Russische Militärs bleiben aber mißtrauisch angesichts des amerikanischen Übergewichts  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Das zerfallende russische Imperium hielt in den letzten Jahren einiges an Überraschungen parat. Heute aber überrascht nichts mehr. Nicht einmal der Besuch des Nato-Generalsekretärs in der Höhle des russischen Bären. Und auch nicht die Offenbarung des russischen Präsidenten Jelzin, Rußland strebe längerfristig die Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt an. Alle Beteiligten mußten zwar erst einmal tief Luft holen, ob in Ost oder West. Zu Hause in Moskau rief dieser Frontschwenk bei manchen Stirnrunzeln hervor. Doch Jelzins Äußerung ist nur eine Absichtserklärung, darauf angelegt, die Glaubwürdigkeit im Westen zu steigern. Wohl auch deshalb wurde während des Besuchs des Nato-Generalsekretärs Wörner in Moskau aüßerst sensibel mit diesem Thema umgegangen. Vorsichtig formulierte Rußlands umstrittener Außenminister Kossyrew das vorläufige Ergebnis der Visite: „Wir haben diskutiert, wie wir die Annäherung in konkrete Projekte überleiten können“, Rußland strebe aber keine Mitgliedschaft in der Nato an.

Diese Position ist verständlich, denn manche sind noch von der neuen Freundschaft überfordert: „Wie soll man ohne einen glaubwürdigen Hauptgegner leben?“ fragte die russische Wochenzeitung 'Neue Zeit‘. Nicht nur die Militärs der ehemaligen Roten Armee stehen vor dem Nichts, sondern auch die Beschäftigten der Rüstungsindustrie. Ausländische Hilfe kann dabei nur symbolische Bedeutung haben. Und Hoffnungen, Rußland werde seine Kriegsmaschinerie bald umstellen, sind unrealistisch. Die Konversionskosten übertreffen auf Jahre hinaus die zu erwartenden Einnahmen. Andererseits gehört die Militärproduktion zu den wenigen, bitter nötigen, Devisenquellen. Allen voran der Jäger MiG 29.

Die Armee arbeitet momentan auf „eigene Rechnung“. Marschall Schappaschnikow fungiert als Oberkommandierender der GUS-Streitkräfte. Das fördert nicht unbedingt die Einbindung der Armee in die neuen staatlichen Strukturen Rußlands. Mißtrauen erzeugte bei den Militärs, daß Jelzin in den Westen reiste, während der amerikanische Außenminister Baker im traditionellen Vorhof Rußlands, in Zentralasien, eine „aktive“ Politik betrieb. Jelzin gab somit die angestammte Führungsrolle Rußlands in dieser Region preis. Statt dessen ließ er sich von Amerika Rußlands zukünftige Rolle in einem von den USA diktierten Konzept aufdrücken, mutmaßten Kritiker. In diesem werde Rußland auf der Achse Washington-Moskau den Schutzschild gegen eine Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus aus dem Iran und den ehemaligen Republiken des moslemischen Sowjetreiches bilden. Bei der gegenwärtigen Kräftekonstellation bedeutet dies: Washington instrumentalisiert den angeschlagenen Bären für seine Interessen.

SPD-Voigt plädiert für Sicherheitspartnerschaft

Bonn (taz) — Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karsten Voigt, hat sich für einen Vertrag über die „Sicherheitspartnerschaft“ der Nato mit den GUS-Staaten und den anderen fünf osteuropäischen Staaten ausgesprochen. Dieser Vertrag könne ein „Zwischenschritt“ auf dem Weg zu einem letzlich sämtliche KSZE-Staaten umfassenden „kollektiven Sicherheitssystem“ sein, schreibt Voigt in einem gestern vorgelegten Positionspapier. Voraussetzung des Vertrages sei eine Änderung der Nato-Strategie. Vertragsbestandteil könnten u.a. der gegenseitige Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen und ein gemeinsames Gremium zur Kontrolle von Vernichtung und „radikalem Abbau“ der A-Waffen sein.

Für eine neue Friedens-und Sicherheitsordnung nach dem Zusammenbruch der Warschauer Vertragsorganisation und der UdSSR sieht der SPD-Außenpolitiker theoretisch vier Varianten:

—Die KSZE selbst wird zu einem handlungs- und sanktionsfähigen Vertrag über europäische Sicherheit; und Zusammenarbeit, der die Nato faktisch aufhebt.

—Die Nato selbst wandelt sich zum kollektiven Sicherheitsorgan der KSZE-Staaten.

—Die Nato bleibt ein Militärbündnis, das zusätzliche Funktionen für die politische und ökonomische Stabilisierung im Sinne der KSZE- Ziele übernimmt.

—Nato, KSZE, der kürzlich von der Nato eingerichtete Nordatlantische Kooperationsrat, die Westeuropäische Union (WEU) und andere europäische Institutionen stimmen sich aufeinander ab, vernetzen sich und schaffen so gesamteuropäische Sicherheitsstrukturen.

Diese Vorstellungen decken sich weitgehend mit denen von Außenminister Genscher. Andreas Zumach

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