Tag und Nacht durchs Unterholz

■ Trotz Abzugsplänen vermehrte Manöver der west-alliierten Truppen im Grunewald/ Britische Einheiten kommen zum Teil aus Westdeutschland/ Nach US-Übung wieder Umweltschäden

Berlin. Obwohl die amerikanischen, englischen, französischen und russischen Truppen bis zum Stichtag 31.Dezember 1994 die Stadt verlassen haben sollen und alte Feindbilder abhanden gekommen sind, spielen west-alliierte Soldaten im Grunewald nach wie vor Krieg. Und das nicht zu knapp. »Der Eindruck ist da, daß zur Zeit gerade eine vermehrte Manövertätigkeit am Laufen ist«, bestätigte auf Anfrage der zuständige Referatsleiter im Landesforstamt, Lutz Wittlich. Ein erboster Förster: »Gerade die Amis kriechen Tag und Nacht durchs Unterholz.« Meist handelt es sich dabei um Kleingruppen bis zu 30 Mann in der sogenannten »Platoonstärke«, zuweilen aber auch um US-Einheiten bis zu 120 Leuten. Daneben sind es offenbar vermehrt englische Soldaten, die mit Jeeps und Lastwagen durch den Wald rollen.

Erst in der letzten Woche stießen Förster der Reviere Grunewald-, Nikolassee, Lichkamp und Saubucht erstaunt auf Kämpfer der Queen, die angaben, sie kämen gerade frisch aus westdeutschen Militärstützpunkten in Hameln oder Hildesheim. Wieso immer noch britische Soldaten nach Berlin importiert werden, erklärte eine Sprecherin des Militärs so: »Viele unserer Einheiten gehen zum Üben nach Westdeutschland, da die Übungsgelände dort ein bißchen größer sind. Dann kommt eine Ersatzeinheit hierher.« Der Sprecherin zufolge ist der Truppenaustausch in einem »State of Forces Agreement« geregelt.

Seit es in Berlin offiziell keine alliierten Sektoren mehr gibt, marschieren nach der Beobachtung von Förstern neuerdings auch öfter französische Streitkräfte im Grunewald. Für die nächste Woche kündigten die Franzosen eine 24stündige nächtliche »Einsickerungsübung« auf diversen Waldwegen an. Die Franzosen, sonst vorwiegend auf ihr Reinickendorfer Kasernengelände beschränkt, wollen den Wald vom Norden her bis zu den Havelufern durchkämmen.

Spezialität der Amerikaner scheinen drei- bis viertägige Gefechtsübungen zu sein, bei denen die Truppen unter freiem Himmel kampieren. Nachdem es im Januar erheblichen Ärger um unangemeldet gelegte »Maschinengewehrnester« und Schützenlöcher gab, treffen die US- Militärs regelmäßige Absprachen mit dem Landesforstamt. Sie sagten zur Vermeidung künftiger Waldschäden zu, daß keine Schützenlöcher mehr gegraben werden und auch Kettenfahrzeuge nicht mehr durch die Botanik rasseln. Wie im Landesforstamt kritisiert wird, verursachen die Soldaten immer noch erhebliche Umweltschäden. Beispielsweise seien vergangene Woche im Revier Nikolassee Army-Lastwagen über schmale Spazierwege karriolt und hätten dabei die Rinde von den Bäumen weggefetzt. »Wiederum ließ man nachts stundenlang die Lkw-Motoren laufen, weil es recht kalt war«, klagten die Forstaufseher. Die Vibrationen der Motoren führten zu enormen Bodenverdichtungen. Das heißt, wo die amerikanischen GIs kampierten, sprießt so schnell kein grüner Halm mehr. Nüchternes Fazit der Forstbehörde: »Es gibt kein umweltfreundliches Manöver.« Thomas Knauf