Erich Honecker fast auf der Höhe

Während Erich dösend der Untersuchungsergebnisse harrt, durchforstet Margot den Medien-Blätter-Wald  ■ Aus Moskau K.H.Donath

Ruhe ist eingekehrt auf der vierten Etage des Diplomatentraktes in Moskaus Botkinskaja-Hospital. Hier residiert auf Zimmer 910 im Zweiraum-Lux Erich Honecker mit seiner Frau Margot. Kostenpunkt 120 US- Dollar pro Tag. Die chilenische Botschaft läßt sie auf ihre Rechnung setzen. Das ist selbstverständlich. Schließlich müssen wir in Deutschland ja auch für die Krankenkosten unserer mittellosen russischen Freunde aufkommen. Wie immer im Botkinskaja herrscht auch jetzt ein strenges „Regime“. Zwei KGBler im vierten Stock überwachen jede Bewegung. Außer ihnen und dem diensthabenden Arzt kommt keiner an den ehemaligen DDR-Chef heran. Selbst die behandelnden Ärzte werden von dem sportlichen Mitvierziger Sergej Iwanowitsch nicht aus den Augen gelassen. Ein pflichtbewußter Mensch. Schon immer schnüffelte er in den Krankenakten. Denn seine Profession ist hauptamtlicher Tschekist im Botkinskaja. Doch erst jetzt ist seine Stunde gekommen. Die Durchschnittssterblichen wurden bei Honeckers Einlieferung in die unteren Etagen abgeschoben. Eng wurde es hier, seit dem Eintreffen von Herrn Kaufmann (Honeckers Deckname in den Krankenakten), denn auch die Miliz hat ihre Funkzentrale ausgepackt. Offenkundig richtet man sich für länger ein.

Dafür gibt es gute Gründe. Denn eigentlich besteht für Herrn Kaufmann keine akute Lebensgefahr. Sein Gesundheitszustand sei „zufriedenstellend“, heißt die Auskunft der Krankenschwester. Er ist aufgeräumt und klar, wenn auch ein wenig verängstigt. Doch das hat sicherlich etwas mit dem massenhaften Heer gieriger Journalisten unter seinem Fenster zu tun. Auf die vielen neugierigen Fragen antwortet er nur langsam, während Margot mit ruhiger Stimme übersetzt. Die übrige Zeit, die sie an der Seite ihres noch vor kurzem totkranken Gatten verbringen muß, vertreibt sie sich mit Bergen von Illustrierten. Herr Kaufmann sitzt auf einer Couch und döst. Was ihm die heutige Computertomographie wohl bringen mag? Immerhin: lieber vom Computer durchleuchtet als von der Justiz. Um ihn herum wird derweil weiter spekuliert. Ein Kreis von russischen Ärzten behauptet, es habe keine schwere Erkrankung der inneren Organe festgestellt werden können. Dies wies Alexander Borodulin, der stellvertretende medizinische Chef der Botkin-Klinik, allerdings später als „Lügen“ zurück: „Es ist noch zu früh, eine Diagnose zu stellen.“