Kräftesammeln im Bankenstreik

■ Die Arbeitgeber suchen offensichtlich eine Grundsatzentscheidung

Kräftesammeln im Bankenstreik Die Arbeitgeber suchen offensichtlich eine Grundsatzentscheidung

Die Ankündigung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), sie wolle den Arbeitgebern eine dreitägige Denkpause zur Beilegung des Tarifkonflikts bei den Banken einräumen, ist kein Zurückweichen der Gewerkschaft vor der Übermacht ihres Tarifgegners. Sie enthält im Gegenteil eine unterschwellige Drohung: Wenn bis zum Donnerstag abend keine auf Kompromißbereitschaft deutende Reaktion der Bankbosse vorliegt, wird die Gewerkschaft ihre Aktionen deutlich verschärfen müssen. Ob sie dazu in der Lage ist, wird sich am Freitag erweisen. Angekündigt hat die HBV bereits einen ganztägigen, flächendeckenden Streik im Geld- und Kreditgewerbe des Saarlandes, einer ihrer Hochburgen mit einem Organisationsgrad von etwa 50 Prozent. Die Erfahrungen bei den bisherigen Aktionen sprechen dafür, daß die Gewerkschaften noch zulegen können.

Während die HBV ihre Kräfte für größere Aktionen sammelt, mobilisiert die mit ihr verbündete, aber nicht dem DGB angehörende Deutsche Angestellten-Gewerkschaft schon jetzt nach Kräften. Zweifellos gibt es zwischen beiden Gewerkschaften eine deutliche Profilierungskonkurrenz in diesem Arbeitskampf. Aber letztlich ziehen sie an einem Strang und müssen dies auch, wenn sie aus der Auseinandersetzung unbeschadet wieder herauskommen wollen. Denn der Tarifkonflikt bei den Banken weitet sich immer mehr zum exemplarischen Kräftemessen zwischen Unternehmern und Gewerkschaften für die diesjährige Lohn- und Gehaltsrunde aus. Äußerungen der Bankarbeitgeber, wonach dieser Tarifkonflikt noch ein oder zwei Monate dauern könnte, lassen darauf schließen, daß sie diesmal aufs Ganze gehen wollen.

Es ist dasselbe Spiel wie kürzlich in der Stahlindustrie: Die Positionen von Arbeitgebern und Gewerkschaften liegen nur noch ein paar Zehntel Prozent auseinander, in diesem Fall rund 1,3 Prozent — ein Betrag, den die Banken angesichts ihres gegenüber anderen Branchen deutlich überdurchschnittlichen Geschäftsergebnisses im letzten Jahr aus der Portokasse bezahlen könnten. Aber es geht ihnen offensichtlich weniger um die Sache als vielmehr um die Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften überhaupt. Und da sehen die Bankarbeitgeber in ihrer Branche günstigere Bedingungen als beim Stahl. Ein relativ niedriger gewerkschaftlicher Organisationsgrad mit zwei konkurrierenden Gewerkschaften, über die Filialen zerstreute, streikunerfahrene Belegschaften — trotz der bisherigen überraschenden Mobilisierungserfolge der Gewerkschaften spricht alles dafür, daß die Arbeitgeber hier den Konflikt suchen, um ihre Version einer „gesamtwirtschaftlichen Vernunft“ durchzusetzen. Martin Kempe