Keine Notwendigkeit, verbindliche Beziehungen zum MfS einzugehen

■ Inge Viett wehrt sich gegen den Vorwurf, das Trojanische Pferd der Stasi innerhalb der Bewegung 2. Juni und später der RAF gewesen zu sein

ich kann mich aus dem gefängnis gegen dieses buch nur schwer wehren, ich glaube, daß die beiden autoren gerade dies bei ihrer publikation ausnutzen. trotzdem möchte ich ein paar dinge richtigstellen. [...]

den ersten — unfreiwilligen — kontakt zum mfs hatte ich 1978 als mitglied der bewegung 2. juni bei einem grenzübertritt nach west-berlin. seinerzeit hatte ich ein ca. zweistündiges gespräch mit einem oberst des mfs, aus dem ich den eindruck mitnahm, daß wir in zukunft relativ sicher die grenzen zur ddr passieren könnten.

ich habe auch gefragt, ohne ihm eine konkrete aktion anzukündigen, ob wir in nächster zeit die grenze wieder passieren könnten, was bejaht wurde.

aus der einschätzung dieses gesprächs heraus haben wir nach der befreiungsaktion in berlin-moabit den fluchtweg durch die ddr gewählt. bei der zollkontrolle in der friedrichstraße wurde eine waffe gefunden. um aufsehen zu vermeiden, habe ich dann gebeten, diesen mfs- oberst zu informieren, was zur folge hatte, daß wir die waffen zurückbekamen und weiterreisen durften.

die tatsache, daß einige mitglieder der bewegung 2.juni in bulgarien festgenommen wurden, beruht, wie wir später analysiert haben, auf unserer eigenen leichtfertigkeit in bestimmten punkten. daß nicht alle mitglieder festgenommen wurden, hatte schlicht damit zu tun, daß nicht alle zum zeitpunkt der festnahme zusammen waren. ich führe das im übrigen auch auf die widersprüche im bulgarischen sicherheitsapparat zurück, der den deutschen nur ein zugriffsrecht für diejenigen 2. juni- mitglieder gewährt hatte, die sich in der umgebung des flughafens befanden.

am tage der festnahme entschieden wir uns, zur polizei zu gehen, um unsere lage zu klären und herauszufinden, ob wir das land verlassen können. wir hatten gar keine andere chance, weil völlig eindeutig war, daß die bulgarische staatssicherheit wußte, daß wir dort waren, und wir bereits beschattet wurden.

wir durften ausreisen. aus sicherheitsgründen flogen wir nicht von dort aus in den nahen osten, sondern wollten prag dazwischen schalten. in prag wurden wir festgenommen, und die ganze geschichte begann von vorn: wieder stellte sich die frage, ob wir ausgeliefert würden oder nicht. in dieser situation hab ich nach einigen tagen die initiative ergriffen und den cssr-behörden gesagt, wenn sie uns schon ausliefern wollten, dann bitte an das sozialistische deutschland und nicht an das kapitalistische. sie möchten bei den entsprechenden behörden der ddr diesen wunsch vortragen. am nächsten tag wurden wir vom mfs aus dem prager gefängnis geholt und in ein erholungsobjekt in der ddr gebracht, wo wir uns ausruhen konnten.

wir waren uns damals sehr wohl bewußt, daß die fatale dynamik der umstände uns plötzlich ganz eng an die interessensbereiche der sozialistischen geheimdienste gedrängt hatte, und wir wollten ganz schnell wieder heraus aus dieser klemme. die mitarbeiter des mfs waren klug genug, unsere lage nicht erpresserisch auszunutzen, obwohl sie natürlich was wissen wollten über unser politisches verständnis, unsere personellen und logistischen strukturen. aber sie respektierten unsere zurückhaltung bei diesen fragen und zeigten sich eher interessiert an einem langen verbindungsaufbau, um unser vertrauen zu gewinnen.

nach rund 14 tagen haben wir die ddr in richtung naher osten verlassen. seitdem gab es keine kontakte, bis ich im juni 1980 aus den bereits bekannten gründen die kontakte mit dem mfs neu knüpfte.

in unserem politischen verständnis damals gab es überhaupt keine notwendigkeit, verbindliche beziehungen zum mfs einzugehen. wir hatten kein interesse und befürchteten überdies, die balance auf dauer nicht halten zu können und zwischen unserer selbstbestimmung/autonomie und den interessen/abhängigkeiten des sozialistischen sicherheitsapparates. darum beschlossen wir, die ddr nicht mehr als transitstrecke zu benutzen, um kontaktmöglichkeiten aus dem wege zu gehen.

als wir 1978 die ddr verließen, wußte noch niemand — nicht mal wir selber —, daß wir in paris eine logistik aufbauen würden. es ist deshalb schierer unsinn, daß das mfs irgendetwas mit den verhaftungen in der rue flatters zu tun habe.

erst diese verhaftungen in paris im mai 1980 haben die notwendigkeit so dringend gemacht, für die aussteigewilligen acht mitglieder eine lösung zu finden, die ihnen das los der gerade verhafteten ersparte. aus dieser situation heraus entwickelte sich der gedanke, in die ddr zu fahren, um dort möglichkeiten der hilfestellung zu überprüfen. natürlich entwickelte sich dieser gedanke auf der grundlage meiner allgemein positiven, wenn auch ambivalenten erfahrung von 1978. auf dieser grundlage wurde auch entschieden, daß ich den kontakt herstelle. wir dachten allerdings damals daran, daß uns die ddr helfen könnte, die leute in afrika unterzubringen. ich fuhr nach berlin und hatte keine andere anlaufstelle als die öffentliche telefonnummer des ministeriums für staatssicherheit. darüber stellte ich dann die verbindung zur abteilung 22 her.

mit der lösung des „aussteiger-problems“ endete die signifikanz meiner funktion in der verbindung raf und mfs. ich habe keine „zentrale rolle“ in der weiteren entwicklung dieser beziehung gespielt. [...]

inge viett, jva koblenz